Retrospektive Kohortenstudie

Neuro-Depesche 11-12/2022

Psychiatrische Komorbidität erhöht Verletzungsrisiko

In einer retrospektiven Kohortenstudien in den USA wurde anhand von Verordnungsdaten untersucht, ob komorbide psychische Erkrankungen das Verletzungsrisiko von ADHS-Patienten erhöhen.
Ausgewertet wurden die Erstattungsdaten der Deseret Mutual Benefit Administrator (DMBA) zu psychiatrischen Diagnosen, Verletzungen und der Medikation in der Altersgruppe der 4- bis 64-Jährigen. Von den 74.169 bis 78.302 Personen jedes Jahrgangs (2016 - 2020) wiesen 2.936 bis 3.708 (4,0 % - 4,7 %) eine ADHS-Diagose auf.
 
Mehr als die Hälfte mit psychiatrischer Komorbidität
Im Durchschnitt waren die 76.498 Personen jedes Jahrgangs 30,8 Jahre alt und zu 49,2 % männlich. Unter ihnen wiesen pro Jahrgang durchschnittlich 3.365 Personen (4,4 %) eine ADHS-Diagnose auf. Etwa bei der Hälfte (51,8 %) der ADHS-Patienten lag mindestens eine, meist mehrere komorbide psychische Erkrankungen vor. Dies waren in erster Linie Angst (37,0 %) und Depression (29,9 %) sowie bipolare Störung (4,7 %), Autismus-Spektrum-Störung (ASD) (3,6 %), Zwangsstörungen (OCD) (2,4 %), Schizophrenie (0,9 %) und eine Manie (0,2 %).
 
Verletzungsrate deutlich erhöht
Die Verletzungsrate bei den Personen ohne ADHS betrug 13,7 % und bei den ADHS-Fällen ohne/mit komorbide psychische Erkrankungen 19,0 % bzw. 22,7 %. Nach Adjustierung auf Alter, Geschlecht, Einkommen und Studienjahr betrug die Rate Ratio (RR) für Verletzungen bei den ADHS-Patienten gegenüber den ADHSfreien Kontrollen 1,33 (95 %-KI: 1,27 - 1,39) und bei den ADHS-Patienten mit komorbiden psychischen Erkrankungen sogar bei 1,62 (95 %-KI: 1,56 - 1,68).
 
Höchstes Risiko bei komorbider Schizophrenie
Das am stärksten erhöhte Verletzungsrisiko der ADHS-Patienten bestand in Fällen mit einer komorbiden Schizophrenie (RR: 1,74), gefolgt von einer komorbiden Bipolar- und Zwangsstörung (RR 1,31 bzw. 1,24). Eine komorbide ASD verringerte es (RR: 0,67). Für die Gefährdung spielte außerdem die Anzahl der komorbiden psychischen Erkrankungen der ADHS-Patienten eine wesentliche Rolle: Das Verletzungsrisiko stieg um 6 % bei einer, um 30 % bei zwei, um 65 % bei drei und um 129 % bei vier Erkrankungen.
 
Verbrennungen, Vergiftungen und Kopfverletzungen
Das bei ADHS erhöhte Risiko betraf alle 12 Arten von Verletzungen. Bei den ADHSFällen mit mindestens einer psychiatrischen Komorbidität war es gegenüber den ADHS-Fällen ohne Komorbidität jeweils höher. Besonders ausgeprägt war die Risikozunahme für Kopfverletzungen (RR: 1,99) und Verbrennungen (RR: 2,52) und vor allem Vergiftungen (RR: 7,55). HL
Fazit
Wie erwartet ging eine ADHS allein mit einem erhöhten Verletzungsrisiko einher – und komorbide psychische Erkrankungen steigerten es weiter. Je mehr Komorbiditäten bestanden, desto stärker stieg die Verletzungsgefahr.
Quelle: Merrill RM et al.: Attention-Deficit Hyperactivity Disorder and Comorbid Mental Health Conditions Associated with Increased Risk of Injury. Psychiatry J 2022: 2470973 [Epub 14. Okt,; doi: 10.1155/2022/2470973]
ICD-Codes: F90.0

Alle im Rahmen dieses Internet-Angebots veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch Übersetzungen und Zweitveröffentlichungen, vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung, Verlinkung oder Weiterverbreitung in jedem Medium als Ganzes oder in Teilen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

x