Serum-Neurofilament-Werte und Prognose nach zehn Jahren

Neuro-Depesche 7-8/2022

Prädiktor für Hirnatrophie und Behinderung?

Erhöhte Serumspiegel von Neurofilament (sNfL) spiegeln das Ausmaß akuter axonaler Schädigungen während aktiver Entzündungen wider. Ihr prädiktiver Wert für die Langzeitprognose bei MS ist allerdings noch unklar. Nun wurde in einer norwegischen Studie die Beziehung zwischen sNfL-Spiegeln und klinischen Merkmalen sowie die Atrophie der grauen Substanz (GM) nach zehn Jahren untersucht.
85 Patienten (65,4 % Frauen) mit schubförmiger MS, die im Durchschnitt seit 4,6 Jahren erkrankt waren (EDSS-Wert 1,9) wurden ausgewertet. In den ersten 24 Monaten wurden sowohl wiederholt die sNfL-Spiegel bestimmt als auch die MRTAufnahmen auf Gadolinium-anreichernde (Gd+) Läsionen kontrolliert. Zum Followup nach zehn Jahren wurde (mittels Free- Surfer-Software) das Ausmaß der Atrophie des Gesamthirns, der grauen Substanz (GM) und der tiefen GM bestimmt. 78 Patienten waren auswertbar.
 
sNfL und GM-Atrophie
Entgegen der Erwartung war die durchschnittliche Höhe der sNfL-Konzentrationen in den ersten zwei Jahren im Gesamtkollektiv weder mit der MRT-Aktivität noch mit klinischen Befunden zehn Jahre später signifikant assoziiert. Dies war lediglich in der Subgruppe von Patienten der Fall, die in den Frühphasen einer aktiven Entzündung (definiert als aktive oder in den letzten zwei Wochen vorhandene Gd+-Läsionen) höhere durchschnittliche sNfL-Spiegel aufgewiesen hatten: Bei ihnen prognostizierten initial höhere sNfL-Werte zum Zehnjahres-Follow-up ein signifikant niedrigeres Volumen der gesamten GM (β = -0,399, p = 0,040) und der tiefen GM (β = -0,556, p = 0,010) sowie eine niedrigere kortikale Dicke (β = -0,581, p=0,010). Es fanden sich bei ihnen jetzt auch mehr T2-hyperintense Läsionen (β = 0,498, p = 0,018) und eine stärkere Behinderung der dominanten Hand im 9-Hole Peg-Test (D9-HPT) (β = 0,593, p = 0,004).
Keinerlei signifikante Relationen mit den MRT-Parametern fanden sich für erhöhte sNfL-Spiegel während der Phasen, in denen sich die Patienten in Remission befanden. HL
Fazit
Höhere sNfL-Spiegel während Phasen aktiver Entzündung sagten bei MS-Patienten eine stärkere GM-Atrophie zehn Jahre später voraus. Dies deutet darauf hin, dass der langfristige GM-Verlust hauptsächlich auf den neuroaxonalen Abbau in neuen Läsionen zurückzuführen ist. Außer einer spezifischen Behinderung der Handmotorik in einer Subgruppe fanden sich keine Zusammenhänge mit der EDSS-Progression.
Quelle: Lie IA et al.: Serum neurofilament as a predictor of 10-year grey matter atrophy and clinical disability in multiple sclerosis: a longitudinal study. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2022 [Epub 1. Juni; doi: 10.1136/jnnp-2021-328568]

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