MS Hot spot in norwegischer Provinz

Neuro-Depesche 5-6/2020

Prävalenz steigt – Inzidenz bei Männern sinkt

Die Provinz Møre und Romsdal weist die höchste Prävalenz an MS-Erkrankungen in Norwegen auf. Bevölkerungsbezogene Längsschnittdaten der letzten 70 Jahre zeigen jetzt einen ungewöhnlichen Trend in der Geschlechterverteilung: Der Frauenanteil nahm weiter zu, während sich die MS-Inzidenz bei den Männern fast halbierte.
Prävalenz und Inzidenz der Erkrankung wurden anhand des norwegischen MS-Registers und einer Biobank von 1950 bis 2018 errechnet. In dem aggregierten Datensatz waren alle MS-Patienten enthalten, die in Møre und Romsdal lebten bzw. dort eine MS-Diagnose erhielten.
Die Prävalenz der MS betrug in der Provinz am 1. Januar 2018 geschätzte 335,8 (95 %-KI: 314,1 – 358,5) pro 100.000 Einwohner (zum Vergleich Deutschland: ca. 253/100.000 Einwohner). Das Verhältnis von Frauen zu Männern lag bei 2,3 zu 1.
In der durchschnittlichen jährlichen Inzidenz wurde von 1950 bis 2017 ein beträchtlicher (und signifikanter: p < 0,001) Anstieg verzeichnet: von 2,1 (95 %-KI: 1,3 – 3,3) auf 14,4 (95 %-KI: 11,9 – 17,3) pro 100.000 Einwohner. Dabei wurde die größte Zunahme zwischen den beiden Zeiträumen 1995 – 1999 und 2000 – 2004 verzeichnet (von 7,5 auf 12,5/100.000). Dies lässt sich vermutlich vor allem auf die Einführung der McDonald-Kriterien im Jahr 2001 zurückführen, die die Anforderungen an eine MS-Diagnose herabgesetzt haben.
Interessanterweise stieg die Inzidenz bei den Frauen im Zeitraum von 2005 bis 2017 von 17,1 (95 %-KI: 14,0 – 20,7) auf 23,2 pro 100.000 (95 %-KI, 18,7 – 28,5) erheblich an, während sie bei den Männern der Provinz von 10,3 (95 %-KI: 7,9 - 13,2) auf 5,9 (95 %-KI, 3,4 – 8,8) pro 100.000, also um fast die Hälfte, zurückging. Die Gründe dafür sind unbekannt. Die Autoren spekulieren, dass die Unterschiede der geschlechtsspezifischen Inzidenzraten auf einer Hypovitaminose D, auf einem veränderten Rauchverhalten oder auf einer unterschiedlichen Adipositas- Rate beruhen könnten. HL
Kommentar
Diese retrospektive Längsschnittstudie zeigt eine seit 1950 stetig zunehmende MS-Inzidenz. Dies könnte laut den Autoren (teilweise) durch Änderungen der diagnostischen Kriterien, verbesserte Diagnoseverfahren und erhöhtes öffentliches Bewusstsein erklärt werden. Auch Veränderungen der Umweltrisikofaktoren während fast 70 Jahren könnten sich ausgewirkt haben. Die hohe Prävalenz beruht möglicherweise zusätzlich auf dem vereinfachten Zugang zu immer mehr immunmodulierenden Medikamenten und einer besseren Prävention und Behandlung von Komplikationen, die zusammen das Überleben der Patienten verlängern. Der markante MS-Anstieg bei den Frauen und der überraschende gegenläufige Trend bei den Männern bedürfen noch der Abklärung.
Quelle: Willumsen JS et al.: High incidence and prevalence of MS in Møre and Romsdal County, Norway, 1950-2018. Neurol Neuroimmunol Neuroinflamm 2020; 7(3); pii: e713. [Epub 26 März; doi: 210.1212/ NXI.0000000000000713]

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