Morbus Parkinson in Deutschland

Neuro-Depesche 9/2018

Prävalenz, Inzidenz und Mortalität deutlich höher als gedacht?

Zertifizierte Fortbildung

Deutsche Experten überprüften anhand deutscher Versichertendaten die Eckdaten zum Morbus Parkinson. Prävalenz und Inzidenz sowie die Morbidität und auch die Mortalität scheinen hierzulande deutlich höher als bisher angenommen

Vom Konsortium Morbus Parkinson Epidemiologie in Deutschland (MoPED) ausgewertet wurden die Daten von 3,7 Millionen Versicherten aus dem Jahre 2015. Konstatiert wurde ein Morbus Parkinson bei einer entsprechenden Krankenhaus-Entlassungsdiagnose oder einer ärztlichen Diagnose, die durch einen zweiten Arzt oder die Verschreibung einer Parkinson-Medikation bestätigt wurde. 2015 fanden sich 21 714 Parkinson-Fälle und 3541 Neuerkrankungen. Ihnen wurde die gleiche Zahl gematchter Kontrollen gegenübergestellt.
Danach lagen die rohe Parkinson-Prävalenz 2015 bei 587,7 und die standardisierte Prävalenz bei 511,4/100 000 Personen. Die Inzidenz betrug roh 95,8 und standardisiert 84,1/ 100 000. So ergab die statistische Projektion eine Gesamtprävalenz von 420 371 Fällen und eine Gesamtinzidenz von 69 130 Fällen in 2015. Bisherige (veraltete oder nur indirekt gewonnene, aber „offiziell verwendete“) Daten zeigen eine projizierte Prävalenz von 219 579 
Patienten (European Brain Council, 2010). Somit wäre die Prävalenz den neuen Daten zufolge praktisch doppelt so hoch. AOK-Daten zufolge lag die Parkinson-Inzidenz 2004–2010 mit 192–229/100 000 Personenjahre zwar auf den ersten Blick erheblich höher, hier wurden allerdings nur Personen über 50 Jahre betrachtet.
In zahlreichen komorbiden Erkrankungen, Symptomatiken bzw. Komplikationen unterschieden sich die Parkinson-Kranken von den Kontrollen mit einer deutlich erhöhten Morbidität. Dies betraf u. a. das Vorliegen von Demenz (39% vs. 13%), Depression (45% vs. 22%) und Diabetes (35% vs. 31%) sowie Blasenfunktionsstörungen (46% vs. 22%).
Die Inanspruchnahme medizinischer Ressourcen war unter den verschiedenen Patientengruppen sehr heterogen, insgesamt gegenüber den Kontrollen aber ebenfalls deutlich erhöht. Dies betraf jeweils im Durchschnitt beispielsweise die Arztbesuche (15,2 vs. 12,2), die stationären Behandlungen (1,3 vs. 0,7), die allgemeinen und die Parkinson-spezifischen Medikamentenverschreibungen (37,7 vs. 21,7 bzw. 7,4 vs. 0,1), medizinische Geräte/Hilfsmittel (47% vs. 30%) und Heil-/Pflegemittel (57% vs. 16%). Ein bedeutender Unterschied fand sich schließlich auch in der Jahresmortalität, die bei den Patienten praktisch doppelt so hoch ausfiel: 10,7% (n = 2330) versus 5,8% (1264) in der Kontrollgruppe. JL
Kommentar

Nach diesen Zahlen sind Prävalenz und Inzidenz des Morbus Parkinson sowie Morbidität und Mortalität beträchtlich höher als vermutet. Die Autoren fordern eine stringentere Datenerhebung, bspw. anhand von Längsschnittstudien zu Versicherungsdaten.



Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle:

Heinzel S et al.: Do we need to rethink the epidemiology and healthcare ...? Front Neurol 2018; 9: 500 [Epub 29. Juni; doi: 10.3389/fneur.2018.00500]

ICD-Codes: G20

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