Polymorphismen bei Jugendlichen

Neuro-Depesche 5/2016

Polygenetischer Risikoscore korreliert mit Angst und Negativsymptomatik

Zertifizierte Fortbildung

Im Rahmen einer großen bevölkerungsbasierten Kohortenstudie untersuchten britische Wissenschaftler an Jugendlichen, inwieweit sich für verschiedene psychiatrische Phänotypen Überlappungen mit genetischen Schizophrenie-Risiken identifizieren lassen. Die Auswertung der polygenetischen Risikoscores ergab mehrere signifikante Zusammenhänge.

Von 14 062 Kindern einer Geburtskohorte (1990) der Avon Longitudinal Study of Parents and Children (ALSPAC) ließen sich 2015 die genetischen Daten von bis zu 5444 Jungen und Mädchen im Alter von 12 und 18 Jahren auswerten. Unter Verwendung der Resultate einer genomweiten Assoziationsstudie des Psychiatric Genomics Consortium Schizophrenia (als „Training- Set“) wurden für die ALSPC-Teilnehmer aus den Risiko-Allelen für 111 Single-Nukleotid Polymorphismen (SNP) polygenetische Risikoscores für eine Schizophrenie (PRS) erzeugt. Diese wurden dann regressionsanalytisch mit vier phänotypischen Merkmalen in Verbindung gesetzt: a) Psychoseerfahrungen wie Halluzination, Wahn, Denkstörung etc. nach dem Psychosis- Like Symptom Interview im Alter von 12 und 18 Jahren, b) negative Symptome nach dem Community Assessment of Psychic Experiences mit 16,5 Jahren sowie c) depressive und d) Angsterkrankungen nach dem Development and Well-Being Assessment jeweils im Alter von 15,5 Jahren.
Die kalkulierten PRS zeigten eine signifikante Assoziation mit den negativen Symptomen der Jugendlichen (Odds Ratio pro Anstieg um eine PRS-Standardabweichung [SD]: 1,21; 95%-KI: 1,08–1,36; R2: 0,007). In ähnlicher Weise waren sie auch mit Angstsymptomen assoziiert (OR pro PRS-SD-Anstieg: 1,17; 95%-KI: 1,06–1,29; R2 = 0,005). Keine Hinweise auf signifikante Bezüge fanden sich dagegen zwischen den PRS und frühen Psychose-Erfahrungen (OR pro PRSSD- Anstieg: 1,08; 95%-KI: 0,98–1,19; R2 = 0,001) oder depressiven Symptomen (OR pro PRS-SD-Anstieg: 1,02; 95%-KI: 0,91-1,13; R2 = 0,00005). Die Zusammenhänge erwiesen sich in Multivarianz-Modellen mit verschiedenen Psychopathologie- Skalen und Grenzwerten sowie verschiedenen p-Wert-Schwellen als weitgehend konsistent. JL
Kommentar

Der erbliche Anteil beträgt bei der Schizophrenie bis zu etwa 80%, und Assoziationsstudien legen nahe, dass verschiedene, voneinander unabhängige Gen-Loci zu ihrer Ätiologie beitragen. Die hier anhand signifikanter SNP-Befunde kalkulierten PRS legen nahe, dass ein genetisches Schizophrenie- Risiko in der Adoleszenz phänotypisch vor allem mit Angst und negativen Symptomen assoziiert ist, weniger mit depressiven Symptomen und überraschenderweise sogar weniger mit Psychoseerlebnissen. Um Risikopersonen in jungen Jahren auszumachen, sollte sich der Blick daher insbesondere auf eine Angst- und Negativsymptomatik richten. Besonders sie könnten Prodromi der Schizophrenie sein.



Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle:

Jones HJ et al.: Phenotypic manifestation of genetic risk for schizophrenia during adolescence in the general population. JAMA Psychiatry 2016; 73(3): 221-8

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