Todesursachen

Neuro-Depesche 6/2000

Plötzlicher Tod von Anfallsfrequenz abhängig

Patienten mit Epilepsie und ihre Angehörigen befürchten in Zusammenhang mit der Erkrankung oft tödliche Ereignisse. Auch in Todesbescheinigungen ist unter Angabe der Todesursache bei Patienten mit Epilepsie selten das Anfallsleiden angegeben. Den höchsten Informationsgehalt zur Mortalität liefert der Vergleich der Todesrate von Epilepsie-Patienten mit derjenigen der Bevölkerung, der seinen Ausdruck im standardisierten Mortalitätsverhältnis (SMR, standardized mortality ratio) findet. Die erneute Datenauswertung des Chalfont Centre for Epilepsy in England - geteilt von 1896 bis 1965 in Fünf-Jahres-Zeiträume - ergab trotz der therapeutischen Fortschritte ein SMR, das zumeist bei 2 bis 3 lag. Das erhöhte Mortalitätsrisiko ist jedoch nicht für alle Patienten gleich. Untersuchungen an Patientenkollektiven mit Subtypen der Epilepsie ergaben ein SMR von 1,8 bei idiopathischer Epilepsie, von 2,2 bei postnatal erworbener sekundärer Epilepsie und von 11,0 bei Patienten mit Epilepsie und zusätzlichen neurologischen Funktionsstörungen seit der Geburt. Diese Ergebnisse sprechen für eine wichtige Rolle der der Epilepsie zu Grunde liegenden Erkankungen. Andererseits sind aber auch Anfallstyp und -frequenz der Epilepsie selbst von Bedeutung: Das SMR liegt bei generalisierten Anfällen mit 8,1 höher als bei partiellen Anfällen mit sekundärer Generalisierung (5,0) und partiellen Anfällen ohne Generalisierung (3,7). Für Patienten bis 24 Jahren wurde ein SMR von 8,5 errechnet, für die Altersgruppe von 25 bis 44 von 7,7 und für 45 bis 64 Jahre von 3,2 bis 3,0 mit weiterer Absenkung in noch höherem Lebensalter. Bei Epilepsie und geistiger Retardierung ist die Mortalität bei Patienten, die 19 Jahre alt oder jünger sind, mit 39,7 sogar zehnmal höher als bei älteren Patienten. Im ersten Jahr nach dem ersten Anfall erreicht die Mortalität die höchsten Werte und sinkt in den darauffolgenden Jahren. Steigerungen des Mortalitätsrisikos waren fünf Jahre nach Diagnosestellung nicht mehr festzustellen.

Hirntumoren sind für 5 bis 26% der Todesfälle bei Epilepsie verantwortlich, Pneumonien für 12 bis 25% und Herzerkrankungen für 5 bis 19%. Zerebrovaskuläre Erkrankungen tragen mit 12 bis 17% zu den Todefällen bei. Unfälle durch die Anfälle sind mit 1 bis 16% beteiligt, Suizide mit 0 bis 21%. Plötzliche Todesfälle, deren Ursachen nach wie vor unklar sind - es werden iktale und postiktale kardiorespiratorische Störungen angenommen - machen 7 bis 17% der Todesfälle von Patienten mit Epilepsie aus. Das Risiko für diese Todesart ist bei schwerer chronischer Epilepsie am höchsten. Risikofaktoren sind: Alter zwischen 20 und 45 Jahren, männliches Geschlecht, symptomatische Epilepsie, Therapieresistenz, Alkoholismus, Non-Compliance, frühe Krankheitsmanifestation, Polytherapie, häufige Dosisänderungen. Das relative Risiko für einen plötzlichen Tod bei Anfällen verglichen mit Anfallsfreiheit betrug 27,2% und stieg mit der Anfallsfrequenz.

Quelle: Tomson, T: Mortality in epilepsy, Zeitschrift: JOURNAL OF NEUROLOGY, Ausgabe 247 (2000), Seiten: 15-21

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