Schon frühere Studienresultate (
Anangnostouli M et al., 1999) haben bei MS-Patienten niedrige Biotin-Spiegel in Blut und Liquor ergeben. Jetzt wurden die Biotin-Serumspiegel bei 146 Patienten mit überwiegend schubförmiger MS und 82 neurologischen Patienten ohne MS als Kontrollgruppe mittels ELISA bestimmt. Blutwerte > 200 ng/l gelten als normal, Werte von 100–200 ng/l als suboptimal, und < 100 ng/l erfordern eine Substitution.
Die durchschnittliche Biotin-Serumkonzentration in der Kontrollgruppe betrug 335 ng/l (median 278 ng/l), bei den 146 MS-Patienten aber nur 260,9 ng/l (median 222,5 ng/l). Der Unterschied war signifikant (p > 0,001). Dabei fanden sich normale Blutspiegel bei sechs von zehn Patienten (58,5%), während suboptimale Spiegel bei 28,7% und Konzentrationen < 100 ng/l bei 12,8% der Patienten vorlagen.
Biotin wird in vergleichbaren Mengen mit der Nahrung aufgenommen und von Darmbakterien produziert. Ein echter Mangel ist in der Bevölkerung selten, er kann u. a. durch Malabsorption, chronischen Alkoholabusus, Antikonvulsiva, Antibiotika und bei Gravidität verursacht werden. Da Biotin ein limitierendes Koenzym in der Fettsäuren- und Myelin- Synthese und für die Mitochondrienfunktion wichtig ist, könnten niedrige Biotin-Spiegel, wie in dieser Studie bei vielen Patienten festgestellt, einen Risikofaktor für die MS darstellen.
Weitergedacht könnte die (einfache und kostengünstige) Biotin-Zufuhr möglicherweise vor dem Ausbruch einer MS schützen. Das präventive und therapeutische Potenzial der Biotin- Supplementierung sollte den Autoren zufolge in weiteren Studien untersucht werden. Außerdem könnten sich die Biotin-Spiegel als ein interessanter Biomarker für die Mikrobiom- Diversität und -Aktivität erweisen. Dieselbe Arbeitsgruppe hat zwischenzeitlich (Daten noch unveröffentlicht) auch bei Patienten mit Fibromyalgie und bioptisch gesicherter C-Faser-Neuropathie deutlich verringerte Biotin- Blutkonzentrationen festgestellt. JL