Metaanalyse zum Psychoserisiko

Neuro-Depesche 3/2022

Neurokognitive Funktion als Prognosefaktor?

Kognitive Defizite sind ein Kernsymptom der Schizophrenie und liegen auch schon bei Patienten mit einer psychotischen Erstepisode vor. Lassen sie sich auch schon bei Personen mit einem klinisch hohen Risiko für eine Psychose nachweisen und können sie deren Manifestation prognostizieren? Jetzt wurde dazu eine Metaanalyse durchgeführt.
An 78 Studien hatten 5.162 Personen mit klinisch hohem Psychoserisiko (CHR-P), 2.865 gesunde Kontrollen (HC) und 486 Patienten mit psychotischer Erstepisode (FEP) teilgenommen. Sie waren durchschnittlich 20,2, 21,1 bzw. 23,0 Jahre alt, 49,0 %, 52,0 % bzw. 55,9 % waren Frauen. Primärer Outcome-Parameter der Metaanalyse war die Effektgröße (Hedges g) einer neurokognitiven Dysfunktion für den Übergang zu einer Psychose im Längsschnitt im Vergleich der CHR-P-Personen mit den HC und den FEP-Patienten.
 
Deutliche kognitive Defizite
Gegenüber den gesunden Kontrollen (HC) wiesen die CHR-P-Personen – in absteigendem Ausmaß – mittlere bis große Defizite in sieben neurokognitiven Domänen des Measurement and Treatment Research to Improve Cognition in Schizophrenia (MATRICS) auf: Stroop colorword reading task (g: -1,17), Hopkins Verbal Learning Test-Revised (g: -0,86), Digit symbol coding test (g: -0,74), Brief Assessment of Cognition Symbol Coding (DST; pg: -0,67), Rey Auditory Verbal Learning Test (g: -0,55), Hinting Task (g: -0,53), Rey Auditory Verbal Learning Test (g: -0,50), California Verbal Learning Test (CVLT) (g: -0,50) und National Adult Reading Test (g: -0,52). Ähnlich fielen die Vergleiche mit den HC in den acht CHR-P-Domänen, z. B. im Wechsler Memory Scale Visual Reproduction Delayed Recall (g: -0,75), aus. Gegenüber den FEP-Patienten waren die CHR-P-Personen allerdings in den meisten Tests weit weniger beeinträchtigt.
Eine Psychose-Manifestation bei den CHR-P-Personen war vor allem assoziiert mit mittleren bis großen Defiziten in der CVLT-Aufgabe (g: -0,58), Rey-Osterrieth Complex Figure Delayed Recall (g: -0,44), Perseverative Fehler im Wisconsin Card Sorting Test (g: -0,42), DST (g: -0,39), CPT-IP (g: -0,29), Trail Making Test – A (g: -0.29) und IQ (g: -0,26).
Wie die Autoren betonen, fanden sich in verschiedenen Subanalysen keine Hinweise auf eine modulierende Wirkung der antipsychotischen Medikation auf die Kognition – weder zum Guten noch zum Schlechten. HL
Fazit
Dieser bislang größten Metaanalyse zufolge können neurokognitive Dysfunktionen bei Personen mit hohem klinischen Psychoserisiko als potenzielle Prognosemarker dienen. Diese Defizite könnten auch ein Fokus für psychosepräventive Ansätze sein.
Quelle: Catalan A et al.: Neurocognitive functioning in individuals at clinical high risk for psychosis: a systematic review and meta-analysis. JAMA Psychiatry 2021; e211290 [Epub 16. Juni; doi: 10.1001/jamapsychiatry.2021.1290]

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