8. Internationaler Kongress der Movement Disorder Society

Neuro-Depesche 7/2004

Neue Trends bei M. Parkinson

Neue Erkenntnisse zu Pathogenese, Diagnose und Therapie des Morbus Parkinson waren einer der Schwerpunkte des diesjährigen Kongresses der Movement Disorder Society. Experten und Fachpublikum trafen sich vom 13. bis 17. Juni 2004 in Rom.

Immer breiteren Raum in der Therapie später Parkinson-Stadien nehmen invasive Verfahren wie die tiefe Hirnstimulation ein. Dazu und zu weiteren Themen einige der jüngsten, in Rom vorgestellten Erkenntnisse. Faktoren für einen Erfolg oder Nicht-Erfolg der tiefen Hirnstimulation (DBS) des Nucl. subthalamicus (STN) lieferte eine Studie an 43 Parkinson-Patienten. In 30% war bereits eine Pallidotomie oder eine Thalamotomie erfolgt. Jüngeres Alter, normale präoperative MRT-Befunde sowie ein "Miniläsionseffekt" durch die Implantation korrelierten positiv mit dem Therapieerfolg, ein vergrößerter dritter Ventrikel und die Notwendigkeit hoher Stimulationsspannungen dagegen negativ. Geschlecht, Händigkeit und andere Variablen spielten für den Erfolg keine Rolle. Da auch bei Vorliegen ungünstiger Prognosefaktoren häufig eine klinische Besserung festgestellt werden konnte, sollten diese Patienten nicht von der STN-DBS ausgeschlossen werden. (P947, R.A. Bakay et al.) Um eine klinisch atypische Form der progressiven supranukleären Lähmung (PSP) näher zu charakterisieren, wurden 107 Patienten retrospektiv nach der klinischen Frühsymptomatik unterschieden: Bei 53% lagen die klassischen Symptome der PSP wie posturale Instabilität, frühe Fallneigung, Blicklähmung und Demenz vor. In dieser Gruppe waren Männer überrepräsentiert, die Dauer der Krankheit war kürzer und führte früher zum Tod. Weitere 32% zeichneten sich durch asymmetrischen Symptombeginn, Tremor und Ansprechen auf Levodopa aus. Die restlichen 15% ließen sich nicht zuordnen. In Hinblick auf prognostische und therapeutische Konsequenzen schlagen die Autoren vor, die erste, klassische Entität nach ihrem Erstbeschreiber "Richardson-Syndrom" zu nennen und von einer "PSP-Parkinsonismus" genannten Variante abzugrenzen. (P955, D. R. Williams et al.) In der älteren Bevölkerung leiden 30 bis 40% unter einer leichten Parkinson-Symptomatik mit Bradykinesie, Rigidität, Gangstörungen und Ruhetremor. Die mit einer zweifach höheren Mortalität einhergehenden Symptome waren in einer Querschnittsstudie bei Dementen ausgeprägter als bei Nicht-Dementen. Unklar ist die prognostische Bedeutung leichter Parkinson-Syndrome. Von 1028 neurologisch untersuchten Altenheimbewohnern (über 65 Jahre) einer aktuellen Studie litt etwa jeder Fünfte unter Demenzsymptomen. Die Betroffenen wiesen nach einer UPDRS-Kurzform (Score: 0-40) eine signifikant stärkere Parkinson-Symptomtik auf als die nicht-dementen Personen. Gegenüber einem Parkinson-Score von 0 (n = 673) bestand bei Patienten mit einem Score von 2 bzw. >=3 ein um 56% bzw. 57% höheres Demenzrisiko.(P954, E. D. Louis et al.) Bei den nicht ganz seltenen Fällen eines familiär auftretenden Parkinson-Syndroms könnte eine genetisch bedingte mitochondriale Fehlfunktion ein frühes und zentrales pathogenetisches Geschehen sein. Als erstes Gen für ein dysfunktionales, Parkinson-relevantes Mitochondrien-Protein wurde in Familienstudien nun PARK 6 (Chromosom 1p36) bei drei Familien identifiziert. Das noch unbekannte Protein stört die mitochondriale Reaktion auf oxidativen Stress. Dies könnte ein neuer Ansatzpunkt für neuroprotektive Therapien sein. (P1042, E. Valente et al.) Synuklein-Aggregate spielen eine Schlüsselrolle im neurodegenerativen Prozess bei Synukleopathien, die pathologische Merkmale wie Lewy-Körperchen und zytoplasmatische Einschlüsse in Gliazellen gemeinsam haben. Offenbar ist u.a. die Akkumulation von Eisen pathophysiologisch bedeutsam. In vitro konnte nun die intrazelluläre Aggregation von Synuklein bei Synuklein-überexprimierenden Zellen durch oxidativen Stress stimuliert werden. Auch Eisen(III) erwies sich als sehr potenter Stimulus, es entfaltete mit oxidativem Stress zudem synergistische Effekte. Synuklein-Ablagerungen fanden sich dagegen nicht in Zellen mit Kaspase-3-Aktivität. Deren Zahl verminderte sich aber unter Zugabe von Eisen(III). Der entsprechende Chelatbildner hatte einen gegenteiligen Effekt auf die Zellen: Er verringerten die Aggregation und erhöhte die Kaspase-3-Aktivität. Die Aggregation könnte einen Schutzmechanismus der Zellen gegenüber oxidativem Stress darstellen, an dem sie aber letztlich zugrunde gehen. (P53, M. M. Kobayashi et al.) Hilft die Pallidum-Stimulation - wirksam z. B. bei Levodopa-assoziierten Dyskinesien - gegen therapeutisch schwer beherrschbare Neuroleptika-induzierte tardive Dyskinesien (TD)? Sechs im Mittel 47 Jahre alte Patienten litten trotz Therapie mit Clozapin oder Tetrabenazin unter Symptomen wie Chorea der oberen Extremität, axialer Dystonie oder fazialer Dyskinesie. Die Elektroden wurden unter MRT-Kontrolle bilateral in den Globus pallidus internus implantiert. Bereits nach wenigen Tagen zeigte die monopolare Stimulation bei allen Patienten Wirkung. Nach drei Monaten hatte sich der TD-Score um 55% gebessert, Dystonie und Chorea praktisch gleichermaßen reduzierend. Es traten keine psychiatrischen Symptome und keine bleibenden Schäden auf. (P900, P. Damier et al.)

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