Deutscher Schmerzkongress, 9. bis 12. Okt. 2019 in Mannheim

Neuro-Depesche 11-12/2019

Neue Migräne-Medikamente am Horizont - Teil I

Beim Deutschen Schmerzkongress fanden zahlreiche Veranstaltungen zu den neuen Möglichkeiten der Migräne-Prophylaxe mit den CGRP-Antikörpern statt. Auf einem DGSS-Symposium am 11. Okt. gaben ausgewiesene Kopfschmerzexperten einen Ausblick auf die aktuell in Entwicklung befindlichen Substanzen zu Akuttherapie und Prophylaxe der Migräne. Hier in Teil I zunächst die Ausführungen zu den Gepanten der ersten und zweiten Generation.
Unter dem Vorsitz von Charly Gaul, Königstein, (Bild rechts) stellten Prof. Tim Jürgens, Rostock, und PD Jan Hoffmann, London, den Stand der Dinge dar.
 
CGRP-Blockade durch Gepante
Die CGRP-basierten Therapien stellen einen Meilenstein dar, da sie zum ersten Mal eine zielgerichtete Therapie gegen das CGRP im Rahmen der Migräne-Pathophysiologie bieten, sagte Jürgens. Wie die CGRP-Antikörper wirken die Gepante ebenfalls am CGRP-Rezeptor, aber als „Small molecules“ haben sie das Potenzial, die Blut-Hirn- Schranke zu durchdringen. Sie unterliegen außerdem den klassischen Metabolisierungswegen (Cytochrom, p-Glycoprotein etc.) und können daher potenziell mehr Nebenwirkungen verursachen und mit anderen Arzneien interagieren. Ob die Gepante an peripheren oder zentralen CGRP-Rezeptoren wirken, wird noch diskutiert, wobei der allgemeine Tenor ist, dass es eine periphere Wirkung ist
 
Revival der Gepante: die zweite Generation
Die Gepante der ersten Generation waren in der Akuttherapie gut wirksam. Unter Olcegepant wurde z. B. eine Schmerzfreiheit nach 2 h bei bis zu 40 % der Patienten erzielt - ein Bereich, in dem sich auch die Triptane bewegen, so Jürgens. Sie wurden trotz guter Wirksamkeit aufgrund verschiedener Probleme nicht weiterentwickelt. So ergaben sich unter Telcagepant und MK-3207 erhebliche Leberprobleme. Bei Olcegepant, das i. v. gegeben wurde, führte eine nicht in den Griff zu bekommende mangelnde orale Bioverfügbarkeit zum Abbruch der Entwicklung.
Nun befindet sich mit Rimegepant (Biohaven) sowie Ubrogepant und Atogepant (beide Allergan) die zweite Generation der Gepante in Phase-III-Studien - und liefert bislang vielversprechende Ergebnisse.
Interessant sind die Gepante als ähnlich wirksame Alternative zu den Triptanen, so Jürgens. Davon profitieren könnte u. a Triptan- Nonresponder oder Patienten mit Verträglichkeitsproblemen oder Kontraindikationen, die wegen starker Nebenwirkungen nicht für eine Therapie mit Triptanen geeignet sind. Dabei stellt es ein Novum dar, dass wir, wie zuvor schon für das ältere Telcagepant gezeigt, mit Atogepant eine Substanz haben, die prophylaktisch wirkt.
 
Akuttherapie mit Rimegepant und Urogepant
Zwei in den USA durchgeführte randomisierte Phase-III-Studien (Lipton RB et al., 2010; Croop R et al.;2019) zeigten die Wirksamkeit von Rimegepant (75 mg) in der Akuttherapie. In Letzterer wurde bei Patienten mit episodischer Migräne eine Placebo überlegene Rate an Kopfschmerzfreiheit nach 2 h erzielt (21 % vs. 11 %; p<0,001). Zusätzlich wurden mehr Patienten frei von den „most bothersome“ Migräne-Begleitsymptomen. Dabei war die Nebenwirkungsinzidenz unter Verum und Placebo vergleichbar. Zu Ubrogepant kamen zwei weitere Studien von der Wirksamkeit zu ähnlichen Ergebnissen. In Achieve 1 (Dodick DW et al., EHF 2018) ) lag die Rate an 2-h- Kopfschmerzfreiheit unter Ubrogepant 100 mg bei 21 % vs. 12 %; p<0,001).
Das Problem der Leberschädigung scheint in der zweiten . Gepanten-Generation kaum mehr eine Rolle zu spielen, betonte Jürgens in Stuttgart. So ergab z. B. eine Studie zu Ubrogepant mit 1.254 Teilnehmern nach einjähriger Behandlung keine Hinweise auf eine hepatische Toxizität.
 
Prophylaxe mit Atogepant
Atogepant weist eine längere Halbwertszeit auf , erläuterte Jürgens, und eignet sich daher für die Prophylaxe. Goadsby PJ et al. (EHF 2018) untersuchten, ob sich die Anzahl der durchschnittlichen Migränetage pro Monat durch einmal täglich Atogepant (mg/d) um mehr als 50 % senken lässt. 795 Erwachsene mit episodischer Migräne (mit und ohne Aura) mit 4–14 Migränetagen im Monat nahmen Atogepant einmal täglich (10 mg, 30 mg, 60 mg) oder zweimal täglich (30 mg oder 60 mg). In diesen fünf Subgruppen kam es über zwölf Wochen zu einer Reduktion um 3,55 bis 4,23 Migränetage, die gegenüber der Placebo-Gruppe (-2,85 Tage) signifikant ausfiel. Dabei erreichten 52 %-62 % der Patienten unter Atogepant mindestens eine Halbierung ihrer Attackenfrequenz, aber nur 40 % unter Placebo. Zwar traten unter Atogepant häufiger Schwindel, Obstipation und lokale Infektionen auf, jedoch weder schwere Nebenwirkungen noch Lebertoxizität. Jürgens zufolge will Allergan Atogepant für den europäischen Markt weiterentwickeln.
 
PACAP, Orexin und andere Ansätze
Über weitere Ausführungen der Experten zu neuen Therapieansätzen wie Pituitary adenylate cyclase-activating peptide-38 (PACAP-38), zu dem hypothalamischen Peptid Orexin und anderen Migräne-Targets berichten wir in der nächsten Ausgabe der NeuroDepesche.
FDA lässt Lasmidaten zu
Am 11. Oktober 2019, dem Tag des Symposiums, wurde gemeldet, dass die US-amerikanische FDA Lasmidatan zur Akuttherapie der Migräne zugelassen hat.

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