"Posttraumatic Stress Disorder"

Neuro-Depesche 2/2005

Neue Erkenntnisse und Forschungsziele

Im Jahre 2000 publizierte die International Consensus Group on Depression and Anxiety ein Konsensuspapier zur posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Nun liegt ein Update vor, in das die vierköpfige Expertengruppe neue Erkenntnisse und die weiteren Forschungsziele eingearbeitet hat.

Große Fortschritte in der PTBS-Forschung werden derzeit auf neurobiologischem Gebiet bzw. durch die funktionelle Bildgebung erzielt. Nicht nur die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrindenachse (Überproduktion von CRF bei normal oder niedrigen Kortisol-Spiegeln, pathologischer Dexamethason-Hemmtest bei chronischer PTBS), sondern auch verschiedene Transmittersysteme (u.a. die serotonerge, noradrenerge, glutamaterge und GABAerge Regulation) zeigen bei PTBS-Patienten Auffälligkeiten. Offen ist die Frage, welche Faktoren bestimmte Personen anfällig für die PTBS machen, hier kommt z.B. eine geringe Dichte an CRF-Rezeptoren in Frage, bzw. welche Merkmale davor schützen. Die Morphometrie ergab verkleinerte Hippokampusvolumina, die möglicherweise eine erhöhte Vulnerabilität widerspiegeln. In der Diagnosestellung gibt es zwischen DSM-IV und ICD-10 etliche Unterschiede, die teilweise auf fundamentale Differenzen über das Wesen der Erkrankung zurückzuführen sind. Die diagnostischen Kriterien sind offenbar zu eng gefasst, vor allem was die psychiatrische Komorbidität als Bestandteil der PTBS-Symptomatik betrifft. Das größere Problem scheint aber zu sein, dass in der Praxis häufig gar nicht nach belastenden Lebensereignissen gefragt wird, so dass ein erhöhtes Risiko oder das Vorliegen einer PTBS übersehen wird. Angesichts einer weiterhin starken Unterdiagnostizierung sollten Patienten mit affektiven oder Angststörungen, Drogen- und Alkoholproblemen oder auch unklaren körperlichen Symptomen grundsätzlich gezielt nach Ereignissen wie Unfälle, sexueller Missbrauch, Erkrankungen oder einschneidenden Veränderungen im privaten und beruflichen Bereich gefragt werden. Das therapeutische Vorgehen richtet sich nach dem Einzelfall. Überwiegend positiv sind die Erfahrungen mit einer kurzen kognitiven Verhaltenstherapie (CBT) direkt nach dem Trauma, die die PTBS-Manifestierung offenbar reduzieren kann. Halten Symptome der Depression, Übererregbarkeit, Dissoziation, Intrusionen, Vermeidung und die Schlafstörungen länger als drei bis vier Wochen an, empfehlt sich eine reguläre Psychotherapie und/oder eine medikamentöse Behandlung. SSRI gelten als erste Therapieoption, Benzodiazepine nützen nicht. Ein sog. Stress-Debriefing (CISD) wirkt nicht präventiv und kann sogar schaden. Persistieren die Beschwerden länger als drei Monate, sollte eine Langzeittherapie - ebenfalls in erster Linie mit SSRI und/oder CBT - über mindestens ein Jahr eingeleitet werden. Neue Medikamente wie CRF1-Antagonisten oder andere Modulatoren der HPA-Achse bedürfen der weiteren Erforschung. Es werden dringend Langzeitstudien benötigt, um Risikofaktoren und den Verlauf einer PTBS zu untersuchen, gerade bei lebensgeschichtlich frühen Traumata einschließlich prä- und perinataler Ereignisse. In der Frage der Therapieoptimierung kommt evtl. der posttraumatischen Sofortbetreuung eine entscheidende Rolle zu. (bk)

Quelle: Ballenger, JC: Consensus statement update on posttraumatic stress disorder from the international consensus group on depression and anxiety, Zeitschrift: JOURNAL OF CLINICAL PSYCHIATRY, Ausgabe 65 (2004), Seiten: S55-S62

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