Exogene Faktoren

Neuro-Depesche 3/2013

MS-Risiko durch städtisches Leben?

Im Laufe von drei Jahrzehnten wurde auf der Insel Kreta ein deutlicher Anstieg der MS-Inzidenz verzeichnet, insbesondere bei Frauen. Um einen möglichen Zusammenhang mit dem zeitgleichen sozioökonomischen Wandel zu beleuchten, wurde eine Fall-Kontroll-Studie durchgeführt.

Zwischen 1980 und 2008 wurde bei 657 Inselbewohnern eine MS neu diagnostiziert. Dabei stieg die Inzidenz von 1,5 Fällen pro 105 Bewohnern (1980–1984) bei zunächst gleichmäßiger Geschlechtsverteilung auf 3,7/105 bei Männern bzw. 7,5/105 bei Frauen (2005–2008). Die städtische Bevölkerung erwies sich dabei gegenüber ländlichen Regionen als überproportional häufig betroffen: Die Prävalenz im Jahr 2008 lag bei 137/105 vs. 61,5/105, wobei der Geschlechterunterschied in der Stadt stärker ausgeprägt war als auf dem Land (Frauen/ Männer: 1,8 vs. 1,3). Mit Hilfe eines strukturierten Fragebogens erhobene demographische Daten, Informationen über die Eltern sowie Lebensgewohnheiten und Krankheiten der 657 MS-Patienten wurden denen von insgesamt 593 Kontrollpersonen passenden Alters, Geschlechts und Wohnorts gegenübergestellt.

Die zunehmende Urbanisierung in den letzten drei Jahrzehnten ging mit einem gesellschaftlichen Wandel einher: Die MS-Patienten wuchsen in kleineren Familien auf (Geschwister: 2,1 ± 1,6) als deren Eltern (Geschwister 3,1–3,6 ± 2,2). Sie lebten aktuell auch seltener auf dem Land: weibliche MS-Patienten: 27% vs. Mütter: 50% (p < 0,001), männliche MS-Patienten: 34% vs. Väter: 48% (p < 0,001). Signifikant weniger MS-Patienten als deren Eltern gaben an, frische Ziegenmilch zu trinken (8,6% vs. 47,0%; p < 0,001).

Bei MS-Patienten konnten gegenüber den Kontrollen mehrere signifikante Faktoren identifiziert werden: Verringerter Konsum von frischer Ziegenmilch in Kombination mit Konsum pasteurisierter Kuhmilch (p = 0,004), vermehrtes Rauchen bei Frauen (Odds Ratio: 1,8; p < 0,001) und Männern (OR: 2,0; p < 0,001), erhöhter Alkoholkonsum bei Frauen (OR: 1,8; p = 0,001), vermehrte Vitaminsupplementierung (OR: 1,5; p = 0,02) und Nutzung oraler Kontrazeptiva (OR: 1,6; p = 0,02). Als Kinderkrankheiten traten Röteln (OR: 0,6; p = 0,002), Windpocken (OR: 0,6; p = 0,002) und Herpes simplex (OR: 0,5; p = 0,02) seltener bei den späteren MS-Patienten auf, während eine akute Gastroenteritis gehäuft zu verzeichnen war (OR: 2,1; p = 0,004). JL

Quelle: Kotzamani D et al.: Rising incidence of multiple sclerosis in females associated with urbanization, Zeitschrift: NEUROLOGY, Ausgabe 22 (2012), Seiten: 1728-1735
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