8. Int. MS-Symposium der DMSG 23.6.2007

Neuro-Depesche 10/2007

MS-Forschung für eine bessere Versorgung

Der Bundesverband der deutschen Multiplen Sklerose Gesellschaft (DMSG) lädt alle zwei Jahre Ärzte aus Klinik und Praxen zu seinem internationalen, hochkarätig besetzten Symposium ein. In Frankfurt standen nun u. a. Neues zur Pathogenese der MS und die Bedeutung des MRT für Diagnostik und Therapiemonitoring nach den aktualisierten Empfehlungen der Multiple Sklerose Therapie Konsensus Gruppe (MSTKG) auf dem Programm.

Auch wenn die MS nicht ausschließlich als T-Zell-vermittelte Autoimmunerkrankung bezeichnet werden kann, erläuterte Prof. Dr. med. Roland Martin, Hamburg, haben Gen-Untersuchungen gezeigt, dass T-Lymphozyten in allen Stadien und Verlaufsformen der MS pathogenetisch bedeutend sind. Klärungsbedarf besteht noch für die Rolle von CD4+ vs. CD8+-Zellen. Wahrscheinlich seien Erstere eher bei Induktion und Unterhaltung der MS involviert, zytotoxische CD8+-T-Zellen dagegen eher in die Destruktion von Myelinscheide und/oder Axon involviert, so Martin in Frankfurt.

Auch B-Zellen beteiligt

Vieles spricht dafür, dass die erworbene Immunantwort über B-Lymphozyten und Antikörper eine zentrale Rolle bei der Entstehung und dem Fortschreiten der MS spielt, erklärte Prof. Dr. med. Bernhard Hemmer, München. In akuten MS-Läsionen wurden nun klonotypisch angereicherte B- und Plasmazellen, teils auch Antikörper-Deposition mit Komplementaktivierung nachgewiesen.

In Therapiestudien wurden durch den monoklonalen Antikörper Rituximab die Schubrate und die entzündliche Aktivität in der MRT reduziert. Aktuell wird mit modernen Technologien versucht, molekulare Zielstrukturen der humoralen Immunität bei MS zu entschlüsseln, erläuterte Hemmer einen wichtigen Forschungsansatz.

Dendritische Zellen als „Verräter“

Mikrogliazellen werden als „Verräterzellen“ angesehen, die die Zielerkennung autoreaktiver Immunzellen im ZNS unterstützen. Die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Burkhard Becher, Zürich, entlastete die Mikroglia nun und stellte molekulargenetisch wie in vivo fest, dass dafür dendritische Zellen verantwortlich sind. Neue therapeutische Ansätze könnten nach den Worten von Becher darin bestehen, diesen Zellen „den Verrat zu verbieten“.

BDNF ist therapeutisch nutzbar

In MS-Modellen wie der experimentellen Enzephalomyelitis (EAE) wurde klar, dass der Brain derived neurotrophic factors (BDNF) als physiologischer Schutzfaktor dient. BDNF-defiziente Leukozyten verursachen bei gleich schwerem Verlauf stärkere axonale Schäden. Therapeutisch kann BDNF durch geeignete Vehikel ins ZNS eingeschleust werden, berichtete Prof. Dr. med. Ralf Gold, Bochum, und vielleicht der Neurodegeneration entgegen wirken.

Antiinflammation plus Neuroprotektion

Laut PD Dr. med. Orhan Aktas, Charité-Universitätsmedizin, Berlin, kommen bei der MS direkte und indirekte Wege zur entzündlichen Neurodegeneration zum Tragen, die in einzelnen Aspekten primär neurodegenerativen ZNS-Erkrankungen ähneln. Daher müssen Therapieansätze antiinflammatorische und neuroprotektive Prinzipien kombinieren, um die irreversible Degeneration zu verhindern, forderte Aktas in Frankfurt.

Konsensus-Update 2006

Neue Entwicklungen in Diagnostik und Immuntherapie ergänzen die aktualisierten Empfehlungen der klinischen Forschungsgruppe für Multiple Sklerose und Neuroimmunologie, erklärte Prof. Dr. med. Peter Rieckmann, Würzburg. So wurden monoklonale Antikörper (MAK) als Innovation mit gezieltem molekularem Ansatz aufgenommen, auch wenn die Langzeitsicherheit derzeit noch nicht eindeutig belegt ist. So ist die Natalizumab-Zulassung aufgrund dreier Fälle einer Progressiven Multifokalen Leukoenzephalopathie (PML) zunächst auf die Monotherapie beschränkt und nur nach Versagen einer Basisbehandlung oder bei initial hoch aktiver, rasch fortschreitender schubförmiger MS als Primärtherapie indiziert.

Sicherheitsfragen

Die Langzeitdaten belegen, dass die Sicherheit der Beta-Interferone gewährleistet ist, sagte Rieckmann in Frankfurt. Allerdings treten mit unterschiedlicher Inzidenz neutralisierende Antikörper (NAb) auf, die bei persistierend hohen Titern mit einem Wirkverlust einhergehen und die Umstellung auf ein anderes Behandlungskonzept wie die Glatirameracetat-Therapie erfordern. Diese unerwünschte Erscheinung sei bei der Behandlung mit Glatirameracetat, das auf gänzlich anderen Wirkmechanismen beruht, nach derzeitigem Kenntnisstand nicht zu befürchten, so Rieckmann. Einer neuen Phase-III-Studie zufolge scheint eine Tagesdosis von 40 mg Glatirameracetat bei gleicher Sicherheit und Verträglichkeit zu höheren Raten an Schubfreiheit zu führen als 20 mg/d und auch die Gadolinium-an- reichernden Läsionen stärker zu reduzieren, wurde in Frankfurt geschildert.

Therapie nach erstem Ereignis

Um die Entzündung abzuschwächen und den axonalen Schaden zu verringern, fordern die Experten der MSTKG eine frühestmögliche immunmodulatorische Therapie. Die Indikation dafür sehen sie schon nach dem ersten MS-verdächtigen Ereignis. Dank erweiterter diagnostischer Kriterien kann die MS bereits nach einem einzigen klinischen Ereignis konstatiert werden, wenn die Disseminationskriterien erfüllt sind, berichtete PD Dr. med. Martin Bendszus, Würzburg. Ein kranielles Kontroll-MRT kann bereits zwei oder drei Monate nach dem ersten Schubereignis sinnvoll sein.

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