Schäden der weißen Substanz bei Frühchen

Neuro-Depesche 5-6/2017

MRT-Auswertung zeigt die Risiken für spätere Entwicklungsstörungen

Frühgeborene haben nicht selten Schäden der weißen Substanz, die ihre weitere Entwicklung erheblich beeinträchtigen können. Dafür werden sensitive neonatale Risikomarker gebraucht. In einer kanadischen Bildgebungsstudie wurden nun Lokalisation und Ausmaß der Schäden bestimmt und das daraus resultierende Risiko für spätere kognitive, sprachliche und motorischen Probleme kalkuliert.

Im British Columbia‘s Women‘s Hospital wurden per MRT Volumen und Ausmaß von Schäden der weißen Substanz (White matter injuries, WMI) bei 216 Neugeborenen mit einem medianen Gestationsalter von 27,9 Wochen bestimmt. 68 Babys (31,5%) wiesen WMI auf. 66 dieser Kinder überlebten, 58 hatten Follow-up-Daten und waren auswertbar.
Die meisten WMI befanden sich in der zentralen periventrikulären Region, gefolgt von Läsionen in posterioren und frontalen Arealen. Die geblindete neuroradiologische Bewertung der WMI erfolgte anhand einer 3-Punkte-Skala: 1) minimal: ≤ 3 Läsionen < 2 mm3; 2) mittelgradig: > 3 Läsionen oder Läsionen > 2 mm3 plus Hemisphären- Beteiligung < 5%; 3) schwer: Läsionen mit einer Hemisphären-Beteiligung > 5%). Die Läsionen hatten ein sehr unterschiedliches Volumen von 4 bis 4801, median 44 mm3.
Nach 18 Lebensmonaten wurden 58 der Kinder mit und 124 Kinder ohne WMI als Kontrollen auf ihre motorischen, kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten nach den Bayley Scales of Infant and Toddler Development (Bayley III) untersucht. Unabhängig von ihrer Lage prognostizierten größere WMI (Grad 3 auf der Skala) schlechte motorische Leistungen nach 18 Monaten signifikant (p = 0,001).
In der Auswertung nach Lappen-Lokalisation waren mit späteren motorischen Problemen signifikant verbunden größere WMI-Volumina im Frontal- (p > 0,001), Parietal- (p = 0,006) und Temporallappen (p = 0,03). Spätere kognitive Beeinträchtigungen waren mit dem WMI-Volumen im Frontallappen assoziiert (p = 0,002).
In der Voxel-basierten Auswertung unter Berücksichtigung von Läsionsort und -volumen ergab sich bei WMI im Frontallappen eine massiv erhöhte Wahrscheinlichkeit (Odds Ratio, OR) für eine beeinträchtigte kognitive bzw. sprachliche Entwicklung von 78,9 bzw. 17,5. Störungen der motorischen Entwicklung wurden dagegen am stärksten durch weit verstreute punktuelle WMI prädiziert. Hier lag die maximale OR bei 63,8. Insgesamt aber gingen WMI im Frontallappen mit den schwersten motorischen und kognitiven Beeinträchtigungen der Kinder einher. GS
Kommentar

Bereits in früheren Studien wurde nachgewiesen, dass bei Frühchen Schäden der weißen Substanz mit einer reduzierten Konnektivität in den Netzwerken für Motorik, Kognition und Aufmerksamkeit verbunden sind. Die aktuellen Studienergebnisse deuten darauf hin, dass eine quantitative Bewertung von Volumen und Ausmaß von Hirnläsionen mittels MRI erfolgreich Beeinträchtigungen der motorischen, sprachlichen und kognitiven Entwicklung nach 18 Monaten vorhersagen kann. Aufgrund dieser Erkenntnisse könnten Neugeborene rascher verschiedenen entwicklungsfördernden Interventionen zugeführt werden. Auch könnten die Eltern dann besser beraten werden.

Quelle:

Guo TS et al.: Quantitative assessment of white matter injury in preterm neonates. Neurology 2017: [Epub 18. Jan. 2017; doi: 10.1212/ WNL.0000000000003606]

ICD-Codes: P07.2

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