Eine psychiatrische Störung kommt selten allein

Neuro-Depesche 3/2019

MPH-Therapie der ADHS bei Komorbidität

Eine isolierte ADHS ist bei Erwachsenen eher die Ausnahme als die Regel. Mit der Komorbidität befassten sich kürzlich in Berlin Erwachsenenpsychiater in den beiden Workshops „ADHS und Komorbiditäten“ sowie „Co-Medikation bei ADHS“. Eine wichtige Erkenntnis auf der von Medice organisierten Veranstaltung lautete, dass sich Methylphenidat (MPH) in der Behandlung von Kindern und Erwachsenen mit ADHS gut kombinieren lässt.

Die ADHS geht zu etwa 80 % mit komorbiden psychiatrischen Krankheiten einher, z. B. Persönlichkeits- (35 %), depressive/bipolare (40 %) oder Angststörungen (20 %). Psychische Begleiterkrankungen können eine ADHS auch maskieren. Um eine affektive Störung von einer ADHS zu differenzieren, hilft unter Umständen ein Blick in die Geschichte, etwa auf alte Schulzeugnisse, erklärte Dr. Karsten Herrmann, Winsen, da eine ADHS in der Regel bis in die Kindheit zurück reicht. Anamnestisch sei zu beachten, dass die Symptome affektiver Störungen zumeist episodisch auftreten.
In der Behandlung von Kindern und Erwachsenen mit ADHS wird ein multimodaler Ansatz empfohlen. In der Pharmakotherapie stehen Stimulanzien wie MPH als First-line-Option im Fokus – auch beim Vorliegen komorbider psychischer Störungen. Die Behandlung der ADHS mit MPH kann über die Symptome der Grunderkrankung hinaus auch kognitive Störungen und das Suchtrisiko positiv beeinflussen. Bei einer depressiven Erkrankung von ADHS-Patienten spricht meist nichts dagegen, beide Störungen gleichzeitig zu behandeln. Im Falle einer Manie wird man zuerst diese behandeln, um die Therapie der ADHS-Symptomatik überhaupt möglich zu machen, so Herrmann in Berlin.
MPH lässt sich mit den allermeisten Medikamenten gut kombinieren, führte Dr. Christian Konkol, Bad Salzuflen, aus. Die gleichzeitige Therapie mit MPH und dem Antidiabetikum Metformin etwa ist prinzipiell nicht kontraindiziert. Allerdings müssen die Patienten darauf hingewiesen werden, die Anzeichen eines kritischen Blutzuckerspiegels wahrzunehmen. Bei der Gabe stark serotonerger Antidepressiva ist darauf zu achten, das sympathomimetische Effekte wie das Schwitzen verstärkt werden können, erklärte Konkol. Die medikamentöse Behandlung einer ADHS wird generell gut vertragen. Angesichts (überwiegend milder) Effekte auf die Herz-Kreislauf-Funktionen werden regelmäßige Kontrollen des Blutdrucks und der Pulsfrequenz empfohlen. Ferner können bekanntlich Schlafstörungen und Appetitmangel als Nebenwirkungen auftreten.
Alkohol- und Drogenmissbrauch ist bei ADHS-Patienten mit einer Prävalenz von bis zu 60 % um das Drei- bis Vierfache höher als in der Allgemeinbevölkerung. Bei Kokain, Amphetaminen oder Opiaten steht primär die Entgiftung im Vordergrund. Alkoholmissbrauch und Cannabis stellen dagegen keine Kontraindikationen für MPH dar. ADHS-Patienten müssen nicht befürchten, dass eine Suchtentwicklung ausgelöst oder begünstigt wird: Studien bei Jugendlichen fanden zum Teil sogar gegensätzliche Effekte, d. h., dass eine frühzeitige Pharmakotherapie das Risiko einer späteren Suchtentwicklung reduzierte. MB
Quelle:

Praxis-Workshop:„ADHS im Dialog, 2018“, Berlin, 8. Sept. 2018. 

 

ICD-Codes: F90.0

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