Chronotherapie bei COVID-19-Patienten

Neuro-Depesche 11-12/2020

Melatonin kann die Insomnie reduzieren

Die COVID-19-Pandemie, der damit verbundene erste Lockdown im Frühjahr 2020 sowie die anhaltenden Eindämmungsmaßnahmen gingen und gehen bei nicht wenigen Menschen mit Schlafstörungen einher. Inwieweit hier retardiertes Melatonin erfolgreich eingesetzt werden kann, wurde auf einem von Medice veranstalteten virtuellen Symposium im Rahmen der 28. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin diskutiert. Das Schlafhormon hat über seine chronotherapeutische Wirkung hinaus vielfältige andere Effekte.
Lockdown-Maßnahmen und COVID-19-Pandemie selbst wirken sich auf den Schlaf-Wach-Rhythmus aus, schilderte Prof. Peter Young, Bad Feilnbach. So zeigte eine aktuelle Studie mit 435 Gesunden (26 bis 35 Jahre alt), dass die Nichtübereinstimmung des Schlafverhaltens mit der inneren Uhr („social jetlag“) deutlich zurückging. Während Schlafdauer und Gesamtschlafzeit signifikant zunahmen, verschlechterte sich die Schlafqualität.
Die Infektion selbst scheint außerdem ein Risikofaktor für Schlafstörungen zu sein. So weisen rund 12 % der intensivmedizinisch betreuten COVID-19-Patienten eine relevante Insomnie auf. Der gestörte Schlaf ist, so Young, auch für die anschließende Behandlung relevant, denn ca. ein Drittel der Post-COVID-19-Patienten in der psychosomatischen Rehabilitation leidet unter einer Insomnie.
Für diese meist ältere Klientel der (Post-)COVID-19-Patienten mit Schlafstörungen mache die Gabe des Schlafhormons Melatonin sehr interessant, sagte Young. Je älter der Mensch ist, desto niedriger fällt die Blutkonzentration aus. Die vielfältigen Effekte des Hormons – es wirkt nicht nur chronotherapeutisch, sondern hemmt auch Entzündungen, moduliert das Immunsystem und neutralisiert freie Sauerstoffradikale – rechtfertigen Youngs Ansicht nach seinen Einsatz auch bei schlafgestörten COVID-19-Patienten. Untersuchungen zeigten, dass Melatonin die COVID- 19-assoziierte immunologische Überreaktion des Körpers (z. B. „ Zytokinsturm“) unterdrücken kann, so Young. Dazu tragen die Hemmung sog. Inflammasome (zytosolische Proteinkomplexe in Makrophagen und Neutrophilen) und die Umkehrung der aeroben Glykolyse in den Immunzellen bei.
„So könnte die Applikation von retardiertem Melatonin in üblicher Dosierung“, betonte Young, „die altersrelevanten Komorbiditäten einer SARS-CoV-2-Infektion und das Risiko schwerer Verläufe partiell lindern“. Seiner Ansicht nach „spricht aus klinischer Sicht nichts dagegen, bei Patienten in der Post-COVIDPhase mit einer Insomnie oder auch in der akuten COVID-19-Situation gerade auf der Intensivstation eine chronobiologische Therapie mit retardiertem Melatonin zu versuchen“. GS
Quelle: Symposium (Remote) „Schlaf – die Arbeit der Nacht“, 28. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), 30. Okt. 2020. 
ICD-Codes: G47.9

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