Übersicht der Empfehlungen (II)

Neuro-Depesche 6/2013

Management der bipolaren Erkrankung - Teil 2

Die heute gültigen internationalen Empfehlungen zum klinischen Management von Patienten mit bipolarer Erkrankung fassten führende Experten in einem Review systematisch zusammen. Für die Therapie müssen außer der Wirksamkeit das spezifische Verträglichkeitsprofil der Medikamente und die Vulnerabilität des einzelnen Patienten bzw. seine Risikofaktoren sorgfältig berücksichtigt werden.

Wie in Ausgabe 5 der Neuro-Depesche angekündigt, hier nun stark gekürzt (und ohne Anspruch auf Vollständigkeit) einige Verträglichkeits- bzw. Sicherheitsaspekte in der Therapie der bipolaren Erkrankung, die in der Übersichtsarbeit hervorgehoben werden.

Bei allen Therapieentscheidungen ist zu bedenken, dass 26% bis 34% (5–7) der Patienten mit bipolarer Erkrankung einen Suizidversuch unternehmen und 10–15% durch eigene Hand sterben. Lithium gehört zu den wenigen Substanzen, für die antisuizidale Effekte nachgewiesen wurden. (103, 104).

Lithium

Lithium, dessen Therapieeffekte sich erst nach etwa zwei bis drei Wochen einstellen, hat einen geringen therapeutischen Index. Toxische Überdosierungen können zu permanenten Organschäden führen. Daher sind die Serumspiegel sorgfältig zu kontrollieren (107). Auch sollte auf ausreichende Flüssigkeitsaufnahme der Patienten geachtet werden (106). Neben einem Tremor können (dosisabhängige) Nebenwirkungen auftreten wie u. a. Gewichtszunahme, Polydipsie, gastrointestinale Beschwerden und kognitive Beeinträchtigungen. Schwere Nebenwirkungen der Langzeittherapie umfassen u. a. Nierenprobleme (10–20%) und Hypothyreoidismus (5–35%) (107). Es sollte der niedrigste wirksame (und verträgliche) Serumspiegel anvisiert werden (106, 117, 118).

Antikonvulsiva

Dosisabhängige Nebenwirkungen unter Valproat betreffen Gewichtszunahme, gas­trointestinale Symptome, Leberenzymerhöhungen, Tremor, Osteoporose und Sedierung (23, 119). Bei einem breiten therapeutischen Fenster sind Intoxikationen selten, können aber u. U. zu einem AV-Block und Koma führen (119). Nicht selten werden auch Thrombozytopenie, Menstruationsbeschwerden, Ataxie und Hautausschlag beobachtet (23, 107). Zudem ist das teratogene Potential von Valproat zu beachten (109).

Bei Carbamazepin sind als seltene, möglicherweise tödliche Nebenwirkungen wie Hypersensitivitätsreaktionen, Hyponatriämie und Herzrhythmusstörungen zu beachten (119). Meist dosisabhängige ZNS-Effekte wie Doppeltsehen und Übelkeit sind häufiger, aber oft nur von kurzer Dauer (106).

Bei Erstverordnung des allgemein gut verträglichen Lamotrigin entwickeln 10–14% der Patienten einen harmlosen und sehr wenige einen schwerwiegenden, potentiell tödlichen Hautausschlag. Die Risiken sind u. a. bei Kombination mit Valproat erhöht (23).

Atypische Antipsychotika

Atypika sind gegenüber klassischen Neuroleptika generell besser verträglich, sie verursachen mehrheitlich deutlich seltener extrapyramidale Symptome (EPS), Spätdyskinesien und Prolaktin-Serumanstiege (110, 114), können aber zu anderen Nebenwirkungen wie Sedierung und Gewichtszunahmen führen (38). Gerade das Risiko für ein metabolisches Syndrom ist bei einigen Vertretern erhöht (110) – und kann in der Langzeittherapie ein ernstes Problem darstellen.

Clozapin und Olanzapin sowie – teils in etwas geringerem Ausmaß – Quetiapin führen zu den stärksten Gewichtszunahmen, Dyslipidämien und Störungen des Glukosestoffwechsels sowie zu Sedierung, darin gefolgt von Risperidon. Dagegen erscheinen Asenapin, Aripiprazol und Ziprasidon metabolisch deutlich neutraler, wobei die beiden Letztgenannten dosisabhängig Akathisien induzieren können. Andere EPS können auch von Clozapin, Olanzapin und Risperidon ausgelöst werden (114).

Antidepressiva

SSRI können gehäuft Angst, sexuelle Störungen und (besonders anfänglich) Übelkeit auslösen, während die älteren Trizyklika (TZA) Sehstörungen, Harnverhalt, Obstipation und kognitive Defizite sowie (speziell in höheren Dosen) Tachykardien verursachen können (120). Bis heute kontrovers werden die Wirksamkeit gegen die bipolare Depression und das Risiko für einen Switch in den manischen Pol diskutiert (121–123): Die Switch-Gefahr scheint besonders groß bei TZA (und MAO-Hemmern), sie scheint unter dualwirkenden Antidepressiva wie Venlafaxin (und vermutlich auch Duloxetin) höher zu sein als unter SSRI (122–124), bei denen dies verhältnismäßig selten zu sein scheint. Gegenüber der Monotherapie mit einem Antidepressivum scheint die Kombination mit einem Stimmungsstabilisierer oder einem Antipsychotikum das Switch-Risiko zu verringern (121, 124).

Monitoring

Da zumeist Kombinationstherapien durchgeführt werden, sind der therapeutische Gesamtnutzen und die kumulative Nebenwirkungsbelastung gegeneinander abzuwägen (14). Zu Therapiebeginn sollte eine umfassende körpermedizinische Untersuchung erfolgen. Kardiovaskuläre und Stoffwechselerkrankungen bzw. -abweichungen sollten sorgfältig dokumentiert (105, 106), die entsprechenden Laborwerte regelmäßig überprüft werden. JL

 

* Die Zahlen in den Klammern bezeichnen die im Review angegeben Quellen 

 

Quelle: Malhi GS et al.: Balanced efficacy, safety, and tolerability recommendations for the clinical management of bipolar disorder, Zeitschrift: Bipolar Disorders, Ausgabe (2013), Seiten: 1-21
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