Chronische, refraktäre tumor- und nicht-tumorbedingte Schmerzen

Neuro-Depesche 7-8/2023

Linderung durch intrathekale Analgesie

Intrathekale Analgesie und epidurale Rückenmarkstimulation (engl. Spinal Cord Stimulation, SCS) sind wirksame und nachhaltige Optionen zur interventionellen Behandlung starker, chronischer Schmerzen. Trotz ihrer therapeutischen Erfolge wird die intrathekale Analgesie im internationalen und europäischen Vergleich hierzulande relativ selten eingesetzt. Auf einem von Esteve organisierten Online-Symposium im Rahmen des Deutscher Schmerz- und Palliativtag 2023 diskutierten Experten über den Stellenwert der intrathekalen Analgesie in der klinischen Praxis und ihre Vorteile für die betroffenen Patienten. Ein Fokus bildete die Anwendung des Conotoxins Ziconotid.
Indikation für die intrathekale Analgesie sind chronische Schmerzen bei malignen oder nicht malignen Erkrankungen, die nicht ausreichend durch orale oder systemische Therapien kontrolliert werden können, erläuterte PD Dr. Dirk Rasche, Lübeck. Dies trifft einerseits auf tumorbedingte Schmerzen bei Tumoren ab dem Brustkorb abwärts zu, also beispielsweise Thorax-, Magen-Darm-, Pankreas-, gynäkologisches und Prostata-Karzinom. Andererseits eignen sich auch Schmerzen im Rahmen nicht-maligner Erkrankungen wie Schmerzen der Wirbelsäule, Querschnittssyndrome sowie Schmerzen nach Operationen, die auf die konservativen Behandlungsstrategien – stark wirksame Opioide, nicht-steroidale Antiphlogistika, Antidepressiva und Antikonvulsiva – nicht oder  nicht ausreichend ansprechen für die intrathekale Medikamentengabe.
„Wir brauchen auch für Patienten, denen konservative Strategien nicht mehr helfen, effektive Behandlungsoptionen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die intrathekale Analgesie auch in diesem Stadium noch zu einer bedeutsamen Schmerzlinderung beitragen kann und die Patienten in dieser für sie schwierigen Phase wirksam unterstützt,“ so Rasche.
Wie der Experte betonte, stellt die intrathekale Analgesie aufgrund der Umgehung der Blut-Hirn-Schranke und des First-Pass-Effekts in der Leber aus seiner Sicht eine wichtige Ergänzung der Therapie starker, chronischer Schmerzen dar. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um nozizeptive und/oder neuropathische Schmerzen handelt. Eingesetzt in der intrathekalen Schmerztherapie wird neben Morphin das zyklische Polypeptid Ziconotid.* Dieser nicht-opioidale N-Typ-Kalziumantagonist inhibiert den spannungssensitiven Kalziumeinstrom im Hinterhorn des Rückenmarks. Dadurch wird die Freisetzung von Transmittern gehemmt, die im Rückenmark für die Weiterleitung von Schmerzsignalen verantwortlich sind.
Mit einer niedrigen Startdosis und einer langsamen Auftitrierung eignet sich die Medikation für Patienten mit chronisch refraktären Schmerzen im Rahmen maligner und nicht maligner Erkrankungen. Das Medikamentenreservoir muss alle vier bis 26 Wochen neu befüllt werden. Die Prozedur dauert lediglich 10 bis 15 Minuten und kann ambulant erfolgen.
Ziconotid besitzt keine Opioid-typischen Nebenwirkungen und kann deshalb nicht zu Toleranz und Abhängigkeit führen. Ein weiterer Vorteil ist, dass durch den Einsatz der intrathekalen Analgesie mit Ziconotid die Gabe von Opioiden bei diesen Patientengruppen reduziert wird. Hinsichtlich einer Kombi-
nation verschiedener Analgetika ist Vorsicht geboten. Sinnvoll – aber Off-label – ist der Einsatz von Morphin + Clonidin/Bupivacain, Morphin + Ziconitid sowie Morphin + Baclofen.  
Für die Experten ist es wichtig, Barrieren zu den behandelnden Ärzt:innen abzubauen und ihnen invasive Therapieoptionen näher zu bringen. Denn nicht selten wird die intrathekale Medikamentengabe zu spät oder gar nicht eingesetzt, und dies, obwohl sie eine wirksame Alternative für Patienten mit starken, chronischen Schmerzen darstellt, die von den behandelnden Ärzten oft als austherapiert angesehen werden. 
* Warnhinweis:
Bei der Anwendung  von Ziconotid ist insbesondere auf das mögliche Auftreten von kognitiven und neuropsychiatrischen Veränderungen zu achten. Weitere Warnhinweise behandeln Depression des zentralen Nervensystems, Erhöhung der Kreatininkinase, allergische Reaktionen, Infektionsrisiko und unzureichende Daten zur Langzeitanwendung (Gillner S, Cegla T. DGS-PraxisLeitlinie Epidurale Rückenmarkstimulation zur Therapie chronischer Schmerzen. Version: 1.0 für Fachkreise, 2019)
Quelle: Online-Symposium „SCS und Pumpen: Wohin mit den Schmerzen“, Deutscher Schmerz- und Palliativtag 2023, 17. März 2023; Veranstalter: Esteve
Ziconotid: Prialt®

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