Internetbasierte Bewegungs- und Aktivitätsförderung

Neuro-Depesche 9/2020

Lassen sich die Effekte einer stationären Reha verlängern?

Die multimodale, im stationären Rahmen durchgeführte Rehabilitation kann bei MS-Patienten nachweislich die Bewegungsfähigkeit und die Fatigue verbessern. Da die Effekte oft nicht lange anhalten, prüften deutsche Neurologen in einer randomisierten, kontrollierten und einfach verblindeten Studie, ob sie durch ein webbasiertes körperliches Aktivitätsprogramm erhalten werden können.
84 MS-Patienten (EDSS-Wert ≤ 6,0), die unter einer Fatigue (≥ 32 Punkte auf dem Würzburger Erschöpfungs-Inventar bei MS, WEIMuS) litten, begannen eine drei- bis vierwöchige stationäre Rehabilitation (T0). Nach deren Abschluss (T1) absolvierte die Hälfte nach Randomisierung drei Monate lang ein internetbasiertes Bewegungsund Aktivitätsförderungsprogramm des Instituts für Sportwissenschaft und Sport der Universität Erlangen-Nürnberg. Die andere Hälfte ohne Intervention bildete die Kontrollgruppe.
Primärer Endpunkt war die selbsteingeschätzte Fatigue nach WEIMuS nach den drei Interventionsmonaten (T2). Sekundär wurde u. a. die Lebensqualität nach der Multiple Sclerosis Impact Scale 29 (MSIS-29) bestimmt. Weitere drei Monate später (T3) erfolgte eine Follow-up-Untersuchung. Ausgewertet werden konnten die Daten von 64 Teilnehmern. Die durchschnittliche Zahl der Trainingseinheiten pro Teilnehmer betrug 24,1. Die Teilnahme nahm kontinuierlich ab: von wöchentlich 2,1 Mal im ersten auf 1,4 Mal im dritten Monat. Im Durchschnitt dauerte das Krafttraining 26,9 Min. und das Ausdauertraining 27,9 Min.
In beiden Gruppen war die Fatigue nach der stationären Reha signifikant zurückgegangen (um 15,5 bzw. 18,0 Punkte; p = 0,28). Während dieser Erfolg in der Kontrollgruppe (n = 30) wieder verloren ging, wurde er in der Interventionsgruppe (n = 34) stabilisiert bzw. vergrößert (Monat 3 [T2]: 16,5 vs. 7,0; Monat 6 [T3]: 22,5 vs. 5,5; je p < 0,001). Ähnliches galt für die Lebensqualität nach MSIS-29: Die Verbesserung beider Gruppen zu T1 blieb nach 3 und 6 Monaten nur in der sportunterstützten Gruppe aufrechterhalten.
Gehstrecke bzw. -geschwindigkeit (im 2-min- bzw. im 10-m-Gehtest [WT]) und das Gleichgewicht im Tinetti-Test hatten sich durch die Reha ebenfalls deutlich gebessert. Nach der Intervention blieb die Gehstrecke in der Kontrollgruppe stabil, während sie in der Interventionsgruppe weiter zunahm. 10mWT- und TS-Befunde verbesserten sich durch das Aktivierungsprogramm nicht. Das Trainingsprogramm war, erläuterten die Autoren, hauptsächlich auf die Verbesserung der aeroben oder muskulären Ausdauer ausgerichtet, die nur mit dem 2minWT gemessen wird. HL
Kommentar
Die Studie liefert eine Klasse-II-Evidenz, dass ein internetbasiertes Aktivierungsprogramm die in der Rehabilitation erzielten Besserungen von Fatigue, Lebensqualität und Gehen über drei bis sechs Monate aufrechterhalten kann. Dass die Teilnehmer im Laufe der drei Monate immer seltener trainierten, sollte bei der Konzeption künftiger Interventionen adressiert werden.
Quelle: Flachenecker P et al.: Efficacy of an internet-based program to promote physical activity and exercise after inpatient rehabilitation in persons with multiple sclerosis: a randomized, single-blind, controlled Study. Int J Environ Res Public Health 2020; 17(12): 4544 [Epub 24. Juni; doi: 10.3390/ijerph17124544]

Alle im Rahmen dieses Internet-Angebots veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch Übersetzungen und Zweitveröffentlichungen, vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung, Verlinkung oder Weiterverbreitung in jedem Medium als Ganzes oder in Teilen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

x