Moderne Zeiten

Neuro-Depesche 3/2015

Längere Arbeitszeiten – risikoreicher Alkoholkonsum

Zertifizierte Fortbildung

Ein europäisches Team unter Einschluss deutscher Arbeitsmediziner untersuchte in einer systematischen Übersicht und Metaanalyse die Zusammenhänge zwischen beruflicher Beanspruchung und Alkoholkonsum. Bei langen Arbeitszeiten kommt es offenbar zu einer deutlichen Zunahme des risikoreichen Trinkens.

Die Datenbanken PubMed und Embase wurden auf alle Veröffentlichungen (bis April 2014) zu Arbeitszeiten und Alkoholkonsum durchsucht. Für die Analyse von Querschnittsdaten konnten 61 Studien mit insgesamt 333 693 Teilnehmern aus 14 Ländern ausgewertet werden. Die Auswertung prospektiver Studien basierte auf 20 Publikationen mit insgesamt 100 602 Teilnehmern aus neun Ländern. Zusätzlich wurden unveröffentlichte Einzelfalldaten aus 27 Studien ausgewertet. Ein risikoreicher Alkoholkonsum war zumeist definiert als >14 bzw. > 21 Drinks/Woche für Frauen bzw. Männer.
Die gepoolte, auf verschiedene Risikovariablen adjustierte Wahrscheinlichkeit (Odds ratio, OR) für einen erhöhten Alkoholkonsum bei längeren Arbeitszeiten (≥ 49 h) betrug in den Querschnittsdaten aus veröffentlichten und unveröffentlichten Studien maximal 1,11 (95%KI: 1,05 –1,18). Die OR für das Vorliegen eines neuen risikoreichen Konsums aus den prospektiven Daten veröffentlichter und unveröffentlichter Studien lag auf ganz ähnlichem Niveau, bei maximal 1,12 (95%-KI: 1.04–1,20). 
Nach den Querschnitts- und Längsschnittdaten der 27 bzw. 18 Einzelfallstudien hatte ein risikoreicher Alkoholkonsum eine Gesamtprävalenz von 11,7% bzw. 6,3%. In den 18 auswertbaren prospektiven Studien mit Einzelfalldaten konnte ebenfalls ein Zusammenhang mit der Wochenarbeitszeit festgestellt werden: Bei einer Standardarbeitszeit von 35–40 Stunden/Woche betrug die Inzidenz eines neuen risikoreichen Alkoholkonsums 6,2%. Verglichen damit lag die Wahrscheinlichkeit unter jenen, die 49–54 Stunden/Woche arbeiteten bei 1,13 (1,02–1,26; adjustierter Inzidenz-Unterschied: 0,8 Prozentpunkte) und bei jenen mit ≥ 55 Stunden/Woche bei 1,12 (1,01–1,25; adj. Inzidenz-Unterschied: 0,7 Prozentpunkte).
Interessanterweise hatten auf diesen Zusammenhang weder Alter, Geschlecht und sozioökonomischer Status der Studienteilnehmer noch geographische Faktoren und untersuchte Populationen (Bevölkerung oder Beschäftigte) einen maßgeblichen Einfluss. JL
KOMMENTAR

Wer übermäßig lange arbeitet, greift häufiger zur Flasche. So lassen sich die Resultate dieser großen europaweiten Untersuchung griffig zusammenfassen. Arbeitszeiten jenseits der empfohlenen maximalen Wochenstundenzahl von 48 (European Union Working Time Directive) sind also als suchtgefährdend und gesundheitsschädlich einzustufen. Für Präventionsbemühungen ist der Arbeitsplatz ein wichtiger Ort.



Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle:

Virtanen M et al.: Long working hours and alcohol use: systematic review and meta-analysis of published studies and unpublished individual participant data. BMJ 2015; 350: g7772 [Epub ahead of print 13. Jan 2015; doi: 10.1136/bmj.g7772]

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