Prognose-Abschätzung bei Diagnose

Neuro-Depesche 7-8/2019

Lässt sich der kognitive Abbau früh vorhersagen?

Kognitive Beeinträchtigungen betreffen bei klinisch isoliertem Syndrom (CIS) und früher MS etwa ein Drittel der Patienten. Über prognostische Faktoren für die Kognitionsverschlechterung ist aber wenig bekannt. Ob sich diese schon bei der MS-Erstdiagnose vorhersagen lässt, wurde nun in einem Projekt des KKNMS untersucht.
Dazu ausgewertet wurden 1.123 Patienten der prospektiven Multicenter-Kohortenstudie NationMS. Bei 622 war eine MS und bei 501 ein CIS neu diagnostiziert worden. Zum neuropsychologischen Screening wurde das Multiple Sclerosis Inventory for Cognition (MUSIC) mit sechs kognitiven Domänen eingesetzt. Die kognitive Leistungsfähigkeit wurde dann mit dem Paced Auditory Serial Addition Test (PASAT) geprüft. Deren als z-Scores ausgedrückte Resultate wurden mit (insgesamt 17) demografischen, klinischen und MRT-Befunden abgeglichen.
Gegenüber Normdaten war das Gesamtkollektiv zu Studienbeginn nicht signifikant kognitiv eingeschränkt (Gesamtscore z: -0,06), lediglich 22 % der Patienten waren beeinträchtigt (Defizit in ≥ 2 Domänen). Am häufigsten und schwersten betroffen waren dabei die Verarbeitungsgeschwindigkeit im PASAT (12 %; z: -0,20) und die exekutiven Funktionen nach dem Subscore „Interferenz“ des modifizierten Stroop Test (17 %; z: -0,40) als Teil des MUSIC. Am wenigsten beeinträchtigt waren Wortlernen/ Gedächtnis.
Mit den initialen(!) kognitiven Defiziten assoziiert waren außer demografischen Merkmalen (weniger Ausbildungsjahre, höheres Alter und männliches Geschlecht) vor allem klinische Merkmale: höherer Behinderungsgrad nach EDSS und stärkere depressive Symptome nach Beck Depression Inventory II. Entgegen der Erwartung standen weder andere klinische Faktoren wie die Schubrate noch die wichtigsten MRT-Befunde (u. a. Zahl der T2-Läsionen, Black holes, Atrophie) im Zusammenhang mit dem initialen Defizit zu Studienbeginn.
Bei der Nachuntersuchung nach einem Jahr (n = 958) zeigten nur noch 14 % der Patienten eine kognitive Beeinträchtigung (Gesamtscore z: -0,16). Diese unerwartete Abnahme führen die Autoren vor allem auf Lerneffekte durch wiederholtes Testen zurück. Auch im Follow-up-Zeitraum ließen sich keinerlei prognostische Faktoren identifizieren – weder Merkmale zu Baseline noch im Verlauf. HL
Kommentar
Die Prävalenz kognitiver Defizite war in dieser KKNMS-Studie vergleichsweise niedrig. Enttäuschenderweise ließen sich keine prädiktiven Faktoren für eine kognitive Verschlechterung identifizieren. Zur Vorhersage müssen zukünftig andere, schon in Frühstadien änderungssensitive kognitive Tests und ausgefeiltere Prädiktoren(- Kombinationen) eingesetzt werden.
Quelle: Johnen A et al. für das deutsche Krankheitsbezogene Kompetenznetzwerk Multiple Sklerose (KKNMS): Can we predict cognitive decline ... J Neurol 2019; 266(2): 386-973

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