Episodische Migräne

Neuro-Depesche 10/2017

Komorbide Schmerzen sprechen für spätere Kopfschmerz-Chronifizierung

Zertifizierte Fortbildung

Migräne-Patienten haben eine hohe Komorbidität an anderen Schmerzbildern. Tragen diese zum Übergang von einer episodischen zu einer chronischen Migräne bei? Dieser Frage gingen US-Forscher anhand der großen Chronic Migraine Epidemiology and Outcomes Study (CaMEO) nach.

In die prospektive, internetbasierte Querplus Längsschnittstudie wurden fast 9000 Migräne- Patienten eingeschlossen. Eine episodische Migräne (EM) war definiert als < 15, eine chronische Migräne (CM) als ≥ 15 Kopfschmerztage/ Monat. Zielparameter dieser Ca- MEO-Auswertung war der Einfluss weiterer, mittels Total Pain Index (TPI) erfasster Nichtkopfschmerz- Schmerzen („noncephalic pain site“) auf das Risiko für einen Übergang von einer EM in eine CM. Der TPI bewertet Schmerzhäufigkeit und -intensität in acht Regionen (Gesicht, Nacken/Schulter, Rücken, Arme/Hände, Beine/Füße, Brust, Abdomen/ Becken, „andere“).
Zu Baseline wiesen 8139 der 8908 Teilnehmer (91,4%) eine EM und 769 (8,6%) eine CM auf. In beiden Gruppen bestand eine klare, dosisabhängige Beziehung zwischen Kopfschmerzhäufigkeit und TPI: Gegenüber Patienten mit ≤ 4 Migräne-Tagen war die Schmerzprävalenz bei jenen mit 25-30 Migräne-Tagen in jeder Region stets mehr als doppelt so hoch (z. B. Rückenschmerzen die meiste/gesamte Zeit: < 20% vs. knapp 60%).
Nach drei Monaten betrug die CM-Inzidenz unter den EM-Patienten 3,4% (n = 278). Adjustiert auf demographische Merkmale und die initiale Zahl der Kopfschmerztage stieg die CM-Wahrscheinlichkeit mit jeder zusätzlichen somatischen Schmerzregion zu Baseline um 30% (Odds Ratio: 1,30: 95%-KI: 1,21–1,40, p < 0,001). Dieser unabhängige Einfluss wurde in Sensitivitätsanalysen unter zusätzlicher Berücksichtigung von Angst, Depression, Allodynie, Übergewicht und Akutmedikation zu Baseline bestätigt.
Unter den zu Studienbeginn an einer CM leidenden Patienten war mit 384 (49,9%) nach drei Monaten fast die Hälfte zu einer EM „remittiert“ (CM-Persistenz: 50,1%). Dabei ging – nach Adjustierung auf demographische Variablen – jede zusätzliche Schmerzregion zu Baseline mit einer um 15% höheren Wahrscheinlichkeit (OR: 1,15; 95%-KI: 1,07–1,25, p < 0,001) einher, jetzt erneut die Diagnosekriterien einer CM zu erfüllen. Dieser Zusammenhang mit der CM-Persistenz war allerdings im volladjustierten Modell nicht signifikant (OR: 1,01; 95%- KI: 0,92–1,10, p = 0,88). JL
Kommentar

Komorbide Schmerzen könnten als „Marker“ für chronifizierungsgefährdete EM-Patienten dienen. Die Studie bestätigt außerdem, dass viele Patienten zwischen EM und CM fluktuieren, das Verhältnis zwischen beiden Migräne-Ausprägungen also eher dynamischer als statischer Art ist.



Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle:

Scher AI et al.: Comorbid pain and migraine chronicity: the Chronic Migraine Epidemiology and Outcomes Study. Neurology 2017; 89(5): 461-68

ICD-Codes: G43.9

Alle im Rahmen dieses Internet-Angebots veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch Übersetzungen und Zweitveröffentlichungen, vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung, Verlinkung oder Weiterverbreitung in jedem Medium als Ganzes oder in Teilen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

x