Über fünf Jahre beobachtet

Neuro-Depesche 7-8/2021

Kognitiver Abbau und funktionelle Netzwerke

Zunehmende kognitive Beeinträchtigungen können MS-Patienten im Verlauf ihrer Erkrankung stark belasten. Wie der kognitive Abbau über fünf Jahre voranschreitet und mit welchen funktionellen Netzwerkveränderungen dies einhergeht, wurde jüngst in einer Stichprobe der Amsterdamer MS-Kohorte untersucht.
Neben 59 Gesunden unterzogen sich zu Baseline und nach durchschnittlich 4,9 Jahren 227 MS-Patienten umfangreichen neuropsychologischen Tests und einer funktionellen MRT (fMRT).
Initial waren 123 MS-Patienten kognitiv unauffällig, 32 wiesen eine leichte (MCI) und 72 eine schwere kognitive Beeinträchtigung (CI) auf. Im Verlauf der fast fünf Jahre zeigten 32 der initial kognitiv intakten Patienten (18,9 %) einen kognitiven Abbau: 22 (17,9 %) konvertierten zu einer MCI und zehn sogar zu einer CI (8,1 %). Von den 32 MCI-Patienten schritt mit zwölf Personen ein gutes Drittel (37,5 %) zu einer CI fort.
 
Netzwerkstabilität gestört
Das „fast Eigenvector Centrality Mapping“ (fECM) zeigte diverse komplexe Entwicklungen. U. a. hing der Übergang von intakter Kognition zur MCI mit einer Veränderung der „Zentralität“ des ventralen Aufmerksamkeitsnetzwerkes (VAN) zusammen, die sich bei zunehmender kognitiver Störung immer stärker auf das „Default Mode“-Netzwerk (DMN) auswirkte. In der MS-Gesamtgruppe korrelierte die VAN-Veränderung mit der Kognition zu Baseline und dem Volumen der tiefen grauen Substanz der Patienten. HL
Fazit
Normalerweise wird das „Default Mode“-Netzwerk (DMN) bei kognitiven Aufgaben unterdrückt. Bei MS-Patienten mit beeinträchtigter Kognition ist die Hemmung wohl nicht hinreichend: Das DMN scheint in einer Hyperkonnektivität zu verharren, sodass aufgabenaktive Netzwerke wie das frontoparietale (FPN) und das dorsale Aufmerksamkeitsnetzwerk (DAN) nicht ausreichend aktiviert werden können. Ein alteriertes ventrales Aufmerksamkeitsnetzwerk (VAN), das als „Schalter“ zwischen DMN und FPN, DAN und anderen aufgabenaktiven Netzwerken fungiert, scheint beim kognitiven Abbau maßgeblich zu sein.
Quelle: Huiskamp M et al.: Longitudinal network changes and conversion to cognitive impairment in multiple sclerosis. Neurology 2021 (Epub 7. Juni; doi: 10.1212/WNL.0000000000012341)

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