Epilepsie-Patienten mit Angststörung oder Depression

Neuro-Depesche 7-8/2018

Kognitive Verhaltenstherapie nutzt kaum

Zertifizierte Fortbildung

Patienten mit Epilepsie leiden häufig auch unter Depressionen und Angststörungen. Generell empfohlen werden hier psychotherapeutische Maßnahmen, vor allem die Kognitive Verhaltenstherapie (Cognitive behavior therapy, CBT). Die Ergebnisse einer systematischen Überprüfung relevanter Studien waren jedoch ernüchternd: Für die CBT wurde bei depressiven Epilepsie-Patienten ein nur geringer Nutzen festgestellt.

Eine komorbide Depression bei Epilepsie-Patienten ist mit einem erhöhten Suizidrisiko, einer höheren Mortalität, einer reduzierten Lebensqualität und erhöhten Gesundheitskosten verbunden. Sie beeinträchtigt die Anfallskon-trolle. Gegen Depressionen bei Epilepsie-Patienten werden psychotherapeutische Maßnahmen eingesetzt, vor allem die CBT. Ein Coch-rane Review und andere Meta-Analysen haben die Effektivität der Psychotherapie in der Behandlung von Dysstress bei Epilepsie-Patienten aufgezeigt, jedoch ohne Auskunft zur klinischen Signifikanz der Psychotherapie.
Wissenschaftler der Universität von Liverpool konzentrierten sich jetzt erstmals auf die Wahrscheinlichkeit klinisch relevanter symptomatischer Besserungen von Depressionen bei Epilepsie-Patienten. In Datenbanken fanden sie nur acht für die Analyse geeignete Studien, darunter die individuellen Daten von 315 Epilepsie-Patienten aus fünf randomisierten Studien. ‚Reliable‘ Veränderungen der Symptome wurden nach der Methode von Jacobson und Kollegen berechnet (siehe Textkasten).
Durchschnittlich zwei Wochen nach Abschluss der CBT wurde nur bei drei von zehn Patienten (30,4%) eine relevante Veränderung der Depressionssymptomatik festgestellt − bei zwei Dritteln der Studienteilnehmer (66,9%) nicht. 2,7% erfuhren sogar eine deutliche Verschlechterung. Die entsprechenden Werte für die Kontrollpersonen (depressive Epilepsie-Patienten ohne CBT) betrugen 10,2% bzw. 83,2% bzw. 6,6%. Der Unterschied in der Besserung betrug also durchschnittlich nur 20%. Dabei wurden für eine ‚Face-to-face‘-Therapie höhere Erfolgsraten verzeichnet als für „andere“ Psychotherapie-Formen (40,4% vs. 25,0%). Während die in den fünf einzelnen Studien berechneten Effektgrößen keine statistische Signifikanz erreichten, ergab die gepoolte standardisierte mittlere Differenz (SMD) zumindest einen kleinen signifikanten Effekt zugunsten der CBT (SMD: 0,37, 95%-KI: 0,15–0,59).
Wie die Autoren betonen, hat die CBT einen nur begrenzten Nutzen bei Epilepsie-Patienten mit Depressionen. Die Patienten reagieren eher kurzfristig, zeigen jedoch keine zuverlässige Besserung. Die langfristigen Auswirkungen auf die Depression müssen noch untersucht werden. Letztendlich implizieren die Ergebnisse der Studie, dass es für die psychische Behandlung von Depressionen, Angstzuständen und anderen psychischen Problemen bei Epilepsie-Patienten einen erheblichen Verbesserungsbedarf gibt. Hilfreich dürfte die Erforschung alternativer psychotherapeutischer Ansätze sein. GS
Kommentar

Der Ansatz von Jacobson et al. beruht auf den Grundannahmen, dass eine klinisch bedeutsame Veränderung des Patienten dann stattgefunden hat, wenn erstens eine intraindividuelle Veränderung im Zeitraum einer psychotherapeutischen Intervention auf einem zu wählenden Niveau signifikant ist (‚Reliable Change Index‘) und zweitens der Patient sich aus dem Bereich der dysfunktionalen (oder klinischen) Population in den Bereich der funktionalen Population („Normal“- oder „Norm“-Population, „Gesunde“) hineinbewegt (‚Critical Value‘). Dafür werden zwei statistische Indizes festgelegt: Der RCI ist definiert als as Minimum an Veränderung, welche noch als statistisch bedeutsam gewertet werden können. Der zweite Index, der Critical Value, dient der weiteren Bewertung der Therapie.



Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

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