Umfrage nach dem Germanwings-Absturz

Neuro-Depesche 4/2017

Jeder 10. Pilot depressiv, jeder 20. suizidal?

Der am 24. März 2015 vorsätzlich herbeigeführte Absturz des Germanwings-Fluges 9525 durch den offenbar depressiven Piloten warf Fragen nach der psychischen Gesundheit dieser Berufsgruppe und nach Präventionsmöglichkeiten auf. Die Auswertung einer anonymen Web-basierten Befragung von Verkehrspiloten ergab nun, dass mehr als jeder zehnte depressiv ist und jeder 20. Suizidgedanken hegt.

Zwischen April und Dez. 2015 fanden sich 3485 Piloten (86,3% Männer), von denen 1866 mindestens die Hälfte der Fragen beantworteten. Die Mehrheit war weiß, verheiratet und Nichtraucher/ in. Das durchschnittliche Alter betrug bei den Frauen (w) und Männern (m) 40 bzw. 50 Jahre. Unter den 1848 Verkehrspiloten, die das DSM-IV-basierte Patient Health Questionnaire 9 (PHQ-9) ausfüllten, wiesen 233 (12,6%) einen PHQ-9-Summenwert ≥ 10 (als etablierten Grenzwert für eine relevante Depression) auf (m: 12,8%; w: 11,4%). In der Subgruppe der 1430 Piloten, die in den letzten sieben Tagen ein Flugzeug geführt hatten, waren 193 (13,5%) depressiv. Insgesamt 75 Piloten gaben an, in den letzten zwei Wochen Suizidgedanken gehabt zu haben.
Befragte im Alter über 60 Jahren waren in dieser Umfrage seltener depressiv als die jüngeren. Weibliche Piloten berichteten häufiger, schon mal eine Depressionsdiagnose erhalten zu haben (4,7% vs. 2,9%; p = 0,12). Sie gaben häufiger an, im letzten Monat mindestens einen Tag mit psychischen Problemen („poor mental health“) erlebt zu haben als die Männer (55,2% vs. 45,6%, p = 0,005). Frauen machen übrigens nur 4% aller Piloten weltweit aus, die deutliche Überrepräsentation in dieser Befragung war geplant.
Eine Depression zeigte im Übrigen signifikante Zusammenhänge mit der häufigen Einnahme nicht-verschreibungspflichtiger Hypnotika (16,2% der Patienten (z = 6,74; p < 0,001) und mit Erfahrungen sexueller oder verbaler Belästigung (z = 3,18, p = 0,001 bzw. z = 6,13, p < 0,001). HL
Kommentar

Dies ist die erste Studie zu Depressionen und Suizidalität bei Verkehrspiloten, die nicht auf Unfallregistern oder Statistiken der Fluggesellschaften beruht. Offenbar leiden Hunderte der 140 000 Piloten weltweit unter klinisch relevanten Symptomen, und viele von ihnen sind suizidgefährdet. Die Autoren empfehlen den Fluggesellschaften, die Anstrengungen für Präventionsmaßnahmen bei ihren Piloten zu erhöhen – vor allem unter der Bedingung, die Karriereaussichten der Betroffenen nicht zu verschlechtern. In weiteren Studien sollten die wichtigsten Risikofaktoren identifiziert werden.

Quelle:

Wu AC et al.: Airplane pilot mental health and suicidal thoughts: a cross-sectional descriptive study via anonymous web-based survey. Environ Health 2016; 15(1): 121 [Epub 15. Dez; doi 10.1186/s12940-016- 0200-6]

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