Weltweite Übersicht

Neuro-Depesche 5-6/2019

Inzidenz und Merkmale aller Psychosen 2002 - 2017

Die letzte umfassende systematische Übersicht über die Inzidenz psychotischer Störungen wurde 2004 veröffentlicht. Neue epidemiologische Daten ermöglichen nun eine Aktualisierung über Auftreten und Variationen affektiver und nicht-affektiver Psychosen.

Von 56.721 Originalpublikationen (Jan. 2002 bis Dez. 2017) zur Inzidenz nicht-organischer psychotischer Erkrankungen bei Personen ≥ 16 Jahren erfüllten nur 177 die Einschlusskriterien. Die meisten Studien (79 %) waren in Europa (aber keine in Deuschland!) durchgeführt worden, 8 % in Nordamerika, 11 % in Asien, 4 % im Nahen Osten und jeweils 2 % in Australien, Latein- oder Südamerika sowie 1 % (zwei Studien) in Afrika.
Soweit möglich wurden die Daten nach Geschlecht, Alter, Ethnie und Migrantenstatus aufgeschlüsselt, 93 Studien waren mittels Metaanalysen auswertbar.
Bei starker Heterogenität zwischen den Studien (I2 ≥ 98,5 %) betrug die gepoolte Inzidenz aller psychotischen Störungen 26,6 pro 100.000 Personenjahre (PJ) (95 %-KI: 22,0 - 31,7). Sie schwankte dabei um den Faktor 15: Von 6,3 pro 100.000 PJ im spanischen Santiago bis 55 - 90,0 pro 100.000 PJ in den USA. Die gepoolte Inzidenz affektiver Psychosen betrug 18,7 pro 100.000 PJ und variierte um das 30-Fache: von 5,2 in Santiago bis 148,4 pro 100.000 PJ in Finnland. Die Inzidenz schizophrener Psychosen schwankte ebenfalls beträchtlich: von 2,7 im irischen Cavan-Monaghan bis 43 - 75,9 pro 100.000 PJ in Südkorea. Ihre gepoolte Inzidenz betrug 13,1 pro 100.000 PJ in Erstkontaktstudien und 32,8 pro 100.000 PJ in den Bevölkerungsregistern. 
Männer hatten insgesamt ein höheres Risiko für alle Psychosen (Inzidenz Rate Ratio [IRR]: 1,44) und für nicht-affektive Psychosen (IRR: 1,60) als Frauen, aber ein geringeres Risiko für affektive psychotische Störungen (IRR: 0,87). Auch ethnische Minderheiten wiesen ein größeres Risiko für alle psychotischen Störungen (IRR: 1,75) und für nicht-affektive-Psychosen (IRR: 1,71) auf. Höhere Risiken fanden sich außerdem auch bei Migranten und in den jüngeren Altersgruppen.
Die Vergleichbarkeit der Daten wird der Meta-Regressionsanalyse zufolge dadurch erschwert, dass die Bevölkerungsregister deutlich höhere Erkrankungsraten ergaben als Studien mit Erstkontakt-Designs. Dies betraf z. B. die Raten an nicht-affektiven Psychosen (IRR: 9,64), schizophrenen Psychosen (IRR: 2,51] und Psychosen bei bipolarer Störung (IRR: 4,53). HL
Kommentar

Die deutlichen Unterschiede in der Inzidenz psychotischer Störungen geht u. a. auf unterschiedliche Erhebungsmethoden und andere geografisch bedingte Unterschiede zurück.

Quelle:

Jongsma HE et al.: International incidence of psychotic disorders, 2002-17: a systematic ... Lancet Public Health 2019; 4(5): e229-e244 [Epub Mai; doi: 10.1016/S2468-2667(19)30056-8]

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