Postpartale Depression

Neuro-Depesche 9/2017

Immer nach Bipolar-Störung fahnden!

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Die Geburt eines Kindes kann verschiedene psychische Erkrankungen triggern. Jetzt wurde in einer dänischen Registerstudie über bis zu 16 Jahre untersucht, wie hoch das Risiko für eine spätere bipolare Störung ist, wenn Frauen erstmals postpartal behandlungsbedürftige depressive Symptome entwickeln.

Die Register-basierte Kohortenstudie umfasste 122 622 Para ohne psychiatrische Vorerkrankung, denen zwischen 1997 und 2012 – als Indikator einer ersten affektiven Episode –erstmals ein Antidepressivum verschrieben worden war. Die Inzidenz einer bipolaren Störung nach ICD-10 im Follow up wurden verglichen zwischen jenen 7877 Frauen, bei denen dies postpartal (d. h. im Jahr nach der Entbindung) erfolgte, und den übrigen, bei denen dies erst danach der Fall war.
Risikofaktoren für eine Bipolar-Störung in der Gesamtkohorte waren vor allem psychiatrische Vorerkrankungen der Eltern, insbesondere betraf dies eine bipolare Erkrankung (Hazard Ratio: 4,68).
Eine Bipolar-Störung innerhalb der nächsten 16 Jahre (median nach 4,5 Jahren) war bei den Frauen deutlich höher, die postpartal eine akute nicht-psychotische affektive Episode durchlitten hatten (2,65%), als wenn diese außerhalb dieses Zeitabschnitts aufgetreten war (1,77%).
Gegenüber einer nicht-postpartal begonnenen Antidepressiva-Monotherapie als Referenz (= Hazard Ratio: 1) war das Bipolar-Risiko bei einer postpartal vs. nicht-postpartal begonnenen Antidepressiva-Monotherapie um 66% erhöht (HR: 1,66; 95%-KI: 1,12–2,48).
Wurden postpartal Antidepressiva und in den Folgejahren (jenseits der Postpartalperiode) zusätzlich Anxiolytika verschrieben, stieg das Risiko auf etwa das Zehnfache (HR: 10,15; 95%-KI: 7,13-14,46). Bei einer nicht-postpartalen Antidepressiva-Ersttherapie plus zusätzlichem Anxiolytikum betrug die HR dagegen „nur“ 7,17.
Das höchste Bipolar-Risiko ergab sich (naturgemäß) bei Personen, denen (nach postpartaler Antidepressiva-Verordnung) ein Stimmungsstabilisierer oder Antipsychotikum verschrieben wurde (HR: 22,48). In der Gruppe mit Antidepressiva-Verordnung erst nach der Postpartalperiode lag diese HR lediglich bei 12,77.
Wie die Autoren hervorheben, sind es nicht die zusätzlichen Medikamente, die das Risiko für eine bipolare Erkrankung erhöhen, sondern die schwerere, ggf. auch therapierefraktäre Symptomatik der Betroffenen sowie komorbide Störungen, die mit einem höheren Bipolar- Risiko einhergehen (und die zusätzlichen Medikamente notwendig machen). JL
Kommentar

5%–13% der Frauen werden nach der Entbindung klinisch depressiv. Da eine akute affektive (nicht-psychotische) Erstepisode in der Postpartalperiode auf eine Bipolarität hinweisen kann, sollten die Patientinnen stets nach (hypo)manischen Symptomen und bipolaren Störungen der Elter) gefragt sowie langfristig beobachtet werden. Auf eine bipolare Erkrankung sollte vor allem geachtet werden, wenn die Frauen anhaltend unter relevanten affektiven Symptomen leiden und/oder eine Antidepressiva-Monotherapie sich als unwirksam erweist.



Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle:

Liu X et al.: Depression and anxiety in the postpartum period and risk of bipolar disorder: a Danish nationwide register-based cohort study. J Clin Psychiatry 2017; 78(5): e469-e476 [Epub Mai 2017; doi: 10.4088/JCP.16m10970]

ICD-Codes: F53.0

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