Schizophrenie bei Jugendlichen

Neuro-Depesche 11-12/2018

Hirnveränderungen und präfrontale Funktionen im Verlauf

Kognitive Beeinträchtigungen sind bekanntlich ein Kernmerkmal der Schizophrenie. Um deren Entwicklung im Krankheitsverlauf zu untersuchen, helfen Studien an älteren Patienten nicht weiter. Jetzt wurden in einer naturalistischen MRT-Längsschnittstudie bei Jugendlichen in den beiden ersten Krankheitsjahren Unterschiede und Gemeinsamkeiten gegenüber gesunden Altersgenossen aufgedeckt.

Die aus einer Kognitionsstudie im kalifornischen Sacramento stammende Stichprobe umfasste Patienten im Alter zwischen 12 und 25 Jahren, die vor längstens zwei Jahren neu an einer Psychose erkrankt waren. Von den 180 Teilnehmern (66,1% männlich) im Durchschnittsalter von 19,2 (± 3,2) Jahren zu Baseline hatten 87 schizophrene Symptome entwickelt. 93 gesunde Jugendliche vergleichbaren Alters dienten als Kontrollpersonen.
Zu Baseline sowie nach 6, 12 und 24 Monaten wurde mittels funktionellem Blood oxygen level-dependent (BOLD-fMRT) die Aktivität in vorab festgelegten Regions of Interest (ROI), insbesondere im für die Kognition wichtigen dorsolateralen Präfrontalkortex (DLPFC) während der Durchführung des AX Continuous Performance Task (AX-CPT) erfasst. Primäre Studienendpunkte waren die Gruppenunterschiede zu allen Zeitpunkten in Verhaltensaspekten (nach dem d‘-context des AX-CPT) und in der DLPFC-Aktivität während des Cue B-A Trial des AX-CPT.
Gegenüber der Kontrollgruppe im gleichen Alter zeigten die Schizophrenie-Patienten nach d‘-context wie erwartet zu allen Zeitpunkten schlechtere Ergebnisse (p < 0,001). Bei den Patienten wurde gegenüber den Gesunden während der Aufgabenlösung zu Baseline auch eine bilateral geringere Aktivierung im DLPFC und im parietalen Kortex (p < 0,05) festgestellt, die im rechten DLPFC signifikant ausfiel.
Das Schicksal der DLPFC-Aktivitätsminderung entwickelte sich im Verlauf aber wie die d‘-context-Resultate auch parallel zu den Veränderungen bei den Gesunden. Das Fehlen signifikant unterschiedlicher Trajektorien spricht eher für das Modell der Hirnentwicklungsstörung als für eine neurodegenerative Ätiologie.
Zwischen Erkrankungsalter und präfrontaler Dysfunktion ergab sich bei den schizophren erkrankten Jugendlichen keine Assoziation. Mit den schlechteren Resultaten in der Patientengruppe korrelierten u. a. die klinischen Symptome und das globale Funktionsniveau. Interessanterweise schnitten die antipsychotisch behandelten Patienten signifikant besser ab als die unbehandelten, doch blieben die Unterschiede gegenüber den Gesunden auch bei ihnen signifikant. Immerhin scheinen sich die Antipsychotika nicht negativ auszuwirken. HL
Kommentar

In dieser Untersuchung zeigten die schizophren erkrankten Jugendlichen gegenüber den Gesunden zu Baseline und im Follow-up Defizite in den präfrontalen Funktionen (DLPFC-Aktivierung und kognitive Kontrolle). Allerdings waren die Entwicklungslinien anschließend vergleichbar mit denen der Gesunden. Diese Resultate sprechen den Autoren zufolge für eine fortgesetzte Hirnreifung. Entgegen anderen Studienergebnissen legen die Resultate nahe, dass das sich noch entwickelnde Gehirn junger Patienten − zumindest in den ersten zwei Krankheitsjahren − nicht progressiv geschädigt wird. Dies könnte sich nicht zuletzt positiv auf die Aussichten einer (kognitionsfokussierten?) Frühbehandlung auswirken.

Quelle:

Niendam T et al.: Association of age at onset and longitudinal course of prefrontal function in youth with schizophrenia. JAMA Psychiatry 2018 [Epub 3. Okt.; doi: 10.1001/jamapsychiatry.2018.2538]

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