Lithium-Therapie bei bipolarer Störung

Neuro-Depesche 4/2018

Häufige Abbrüche wegen Nebenwirkungen

In der Erhaltungstherapie ist Lithium bei bipolarer Störung nach wie vor das Mittel der Wahl. Die Substanz bietet nachweislich große Vorteile in der Prävention schwerer affektiver Episoden und suizidalen Verhaltens. Doch bricht etwa die Hälfte der Patienten die Behandlung ab. Die Gründe dafür wurden in einer Kohortenstudie untersucht.

Retrospektiv ausgewertet wurden alle zwischen 1997 und 2013 im schwedischen Norrbotton erfassten Abbrüche der Li-Erhaltungstherapie bei Patienten mit Bipolar- (BP) oder schizoaffektiver Störung. Untersucht wurde, ob dies aufgrund von Nebenwirkungen oder wegen mangelnder Wirksamkeit geschah, welche Rolle die Diagnose spielte und ob der Therapieabbruch eher von den Patienten oder vom behandelnden Arzt initiiert wurde.
Von 873 Patienten hatten 468 (54%) Li mindestens einmal mit der Absicht abgesetzt, die Therapie auf Dauer nicht mehr fortzuführen. Von diesen stoppten 82% die Einnahme bei einer und 19% bei mehr als einer Gelegenheit nach vorheriger Wiederaufnahme. Insgesamt wurden 589 Behandlungsabbrüche verzeichnet.
Für 561 (95%) Episoden waren die Gründe für den Therapiestopp bekannt. In 37% der Fälle wurde mehr als eine Ursache angegeben. 44% gaben Verschlechterungen der Symptomatik als Grund für den Therapieabbruch an, 62% Nebenwirkungen, wobei 12% der Abbrüche auf physischen Komplikationen basierten. Die fünf häufigsten Li-Nebenwirkungen waren Durchfall (13%), Tremor (11%), Polyurie/Polydipsie/ Diabetes insipidus (9%), Kreatinin-Anstiege (9%) und Gewichtszunahme (7%).
Männer hatten Li häufiger erhalten als Frauen (59% vs. 54%). Obwohl beide gleich häufig die Initiative zum Therapieabbruch ergriffen, gaben die Frauen dreimal häufiger Gewichtszunahme (p < 0,01) und fünfmal häufiger Ödeme (p < 0,01) als Grund dafür an (in 4% wurde Li wegen einer Schwangerschaft abgesetzt). Dagegen beendeten Männer dreimal häufiger die Einnahme, weil sie sich „gut fühlten“ (p < 0,01). Außerdem brachen sie doppelt so häufig die Einnahme ohne ärztliche Konsultation ab (p < 0,01). Patienten mit BP-1-Störung oder schizoaffektiver Störung wiesen eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit für einen Abbruch auf als Patienten mit einer BP-2-Störung oder jene mit nicht näher differenzierter BP-Erkrankung (p < 0,01). Gerade bei Letzteren war die Wahrscheinlichkeit, Li wegen mangelnder oder vermeintlich mangelnder Wirksamkeit abzusetzen, um den Faktor 3 erhöht (9,9% vs. 29,5%; p < 0,001).
Insgesamt ging die Initiative für einen Therapieabbruch signifikant häufiger von den Patienten aus als von den Ärzten (p < 0,001). 28,4% der Abbruchepisoden wegen fehlender Adhärenz gingen von den Patienten aus, 11,6% von den Ärzten (p < 0,001). Standen die Patienten für das Follow up nicht mehr zur Verfügung, so basierten 10,7% der Abbrüche darauf, dass die Ärzte die Lithium- Verschreibung verweigerten. Bei den Patienten waren dies nur 4,2% (p < 0,01). Außerdem beendeten die Ärzte die Therapie signifikant häufiger wegen erhöhter Kreatinin-Werte bzw. chronischer Nierenerkrankung (19,6% vs. 2,1%; p < 0,001). GS
Kommentar

Lithium wird von Bipolar-Patienten sehr häufig abgesetzt, überwiegend aufgrund von Nebenwirkungen. Daher ist es sehr wichtig, vor und auch während der Therapie mögliche unerwünschte Effekte mit den Patienten zu besprechen. So können Strategien zur Verbesserung der Adhärenz entwickelt werden. Regelmäßige Spiegelbestimmungen sind notwendig, ersetzen jedoch nicht das persönliche Gespräch. Nicht zuletzt sollten Psychiater möglichst eng mit Internisten (Nephrologen!) zusammenarbeiten.

Quelle:

Öhllund L et al.: Reasons for lithium discontinuation in men and women with bipolar disorder: a retrospective cohort study. BMC Psychiatry 2018; 18, 37 (Epub ahead 07. Feb. 2018; https://doi.org/10.1186/ s12888-018-1622-1)

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