ADHS im Erwachsenenalter

Neuro-Depesche 7/2011

Häufig Angst, Depression und soziale Beeinträchtigung

Eine ADHS tritt in den seltensten Fällen ohne komorbide psychiatrische Erkrankung auf. Im Erwachsenenalter fanden sich in Studien häufig affektive Erkrankungen, Substanzabusus/-abhängigkeit sowie Angst- und Essstörungen. Die Komorbidität Betroffener in Deutschland prüften jetzt Ärzte der Universität Erlangen-Nürnberg.

An einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe (n = 1655; Durchschnittsalter 43,3 Jahre; 54% Frauen) wurde die bisher größte deutsche Studie zu dieser Thematik durchgeführt. Die Teilnehmer bewerteten ihre ADHS-Symptome während ihrer Kindheit retrospektiv mit einer Kurzversion der Wender Utah Rating Scale (WURS-k). Symp­tome im Erwachsenenalter wurden über die ADHD Self-Rating-Skala (ADHD-SR) abgefragt, die die 18 DSM-IV-TR Punkte zu Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität beinhaltet. Zur Beurteilung komorbider Depression und Angst in den vergangenen zwei Wochen wurde der 4-Punkte-Patient Health Questionnaire (PHQ-4) verwendet.

Die Prävalenz einer derzeitigen ADHS lag bei 4,7 % (n = 78). Im Vergleich zu den WHO World Mental Health Surveys, in denen die ADHS-Rate im Erwachsenenalter in den Jahren 2002/03 in Deutschland bei 3,1% lag, ist die Prävalenz also gestiegen und nun vergleichbar mit den Ergebnissen aus den Niederlanden (5,0%) und den USA (3,6–5,2%). Interessanterweise war die ADHS dieser Erwachsenen zuvor nur in vier Fällen durch einen Arzt festgestellt worden.

Die ADHS korrelierte signifikant mit jüngerem Alter: Die höchste Prävalenz ergab die Altersgruppe der 18 bis 24-Jährigen, unter denen die Anzahl Erkrankter fast dreimal so hoch war wie in der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen (Odds Ratio: 2,8). Außerdem war ein geringeres Bildungsniveau, d. h. < 12 vs. ≥ 12 Jahre (OR: 6,5), Arbeitslosigkeit, nie verheiratet und geschieden sein (OR: 1,9 bzw, 2,2) und ländlicher Wohnsitz (12,1% in Ortschaften mit weniger als 2000 Einwohnern vs. 3,8% in Städten; OR: 4,6) jeweils häufiger. Im Kindesalter sind häufiger Jungen von ADHS betroffen (2–3:1). Im Erwachsenenalter scheint die Verteilung weitgehend ausgeglichen.

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Fazit
?! Bei 60–70% der Kinder mit ADHS persistiert die Erkrankung in das Erwachsenenalter. Hierzulande ist die ADHS mit einer Punktprävalenz von 4,7% der erwachsenen deutschen Bevölkerung eine weit verbreitete und offenbar unterdiagnostizierte Krankheit des Erwachsenenalters. Sie war in der Stichprobe dieser Studie zuvor nur bei vier der 78 Betroffenen diagnostiziert worden. Da die ADHS Erwachsener mit einer hohen Rate an psychi­-atrischer Komorbidität wie Depressionen und Angst (7–8%) und sozialen Beeinträchtigungen wie Arbeitslosigkeit, Partnerschaftsprobleme oder Isolation einhergeht, sollten zu ihrer Erkennung im Praxisalltag nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene zu den typischen Symptomen befragt werden.

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