Refraktärer SE in Europa

Neuro-Depesche 5/2004

Große Unterschiede im therapeutischen Vorgehen

Konsensus-Richtlinien zur Notfallbehandlung des therapierefraktären Status epilepticus existieren bislang nicht. Neurologen der Berliner Charité befragten nun Epileptologen und intensivmedizinisch tätige Neurologen in Deutschland Österreich und der Schweiz zur ihrem Vorgehen bei Patienten mit Status epilepticus und Versagen der First-line-Medikamente.

In der Befragung der Spezialisten wurden explizit die Meinungsbildner der drei deutschsprachigen Länder berücksichtigt, die in maßgeblichen beruflichen Positionen die Behandlungsregime bestimmen. 63 von 91 Fragebogen wurden beantwortet, 37 von neurologischen Intensivärzten, 26 von Epileptologen. Bei refraktärem Status epilepticus (also nach Versagen der First-line-Medikamente Benzodiazepine, Phenytoin und Valproat) setzen zwei Drittel der Befragten erst einmal ein zweites Antikonvulsivum ein, sowohl bei generalisiertem (gen. SE) als auch bei komplex-partiellem SE (k.-p. SE). Bevorzugt wird dazu Phenobarbital (72% bzw. 56%) in Dosen zwischen 600 und 1200 mg verwendet. Ein abwartendes Beobachten wird im Falle eines gen. SE von keinem, bei k.-p. SE dagegen von 20% befürwortet. Eine Allgemeinanästhesie als erste Maßnahme nach Scheitern der Intervention mit den First-line-Medikamenten wählen 35% (gen. SE) bzw. 16% (k.-p. SE). Die Allgemeinanästhesie ordnen im Fall eines generalisierten SE alle Befragten an, die Hälfte von ihnen innerhalb von 30 Minuten nach Anfallsbeginn, nur 21% warten länger als eine Stunde. Bei anhaltendem komplex-partiellem SE setzt ein hoher Anteil von 75% der Befragten ebenfalls eine Vollnarkose ein. Bei diesem, immer noch durchaus kontrovers diskutierten Vorgehen, warten allerdings 61% ein Zeitintervall von einer Sunde ab. Als First-line-Anästhetika werden dabei am häufigsten Barbiturate (58%), besonders Thiopenton/Thiopental eingesetzt, Nicht- Barbiturate werden in 42% der Fälle gewählt, am häufigsten Propofol (29%), das auch über prokonvulsive Eigenschaften verfügt und Midazolam (13%), bei dem nicht selten Durchbruchsanfälle auftreten. Propofol ist ferner für 58% der Antwortenden das Medikament der zweiten Wahl. Ketamin und Isofluran werden dagegen nur vereinzelt benutzt. In der Beurteilung des Ansprechens verlassen sich 34% der Befragten bei manchen Patienten allein auf das klinische Sistieren des Status, 63% der Befragten geben die Beendigung der Anfalls nach EEG-Befund als wichtigstes Kriterium bei vielen Patienten an. 69% der Befragten berichteten, das Anästhetikum bis zu einem Burst-Suppression-Muster im EEG zu titrieren. 94% der Befragten reduzieren die Anästhetikum-Dosis innerhalb von 48 Stunden, Die überwiegende Mehrheit der Befragten - nämlich 72% - berichtete, mit der Reduktion innerhalb von 24 bis 48 Stunden zu beginnen, 22% schon innerhalb der ersten 24 Stunden. Nur 5% gaben dafür den Zeitraum von 48 bis 96 Stunden an, in keinem Fall werden maximale Anästhetika-Dosen länger als 96 Stunden benutzt.

Quelle: Holtkamp, M: The management of refractory generalised convulsive and complex partial status epilepticus in three European countries: a survey among epileptologists and critical care neurologists, Zeitschrift: JOURNAL OF NEUROLOGY, NEUROSURGERY AND PSYCHIATRY, Ausgabe 74 (2003), Seiten: 1095-1099

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