Voxel-basierte Morphometrie

Neuro-Depesche 3/2015

Graue Substanz schwindet bei zervikaler Dystonie in vielen Regionen

Außer den Basalganglien scheinen auch andere Hirnstrukturen an der Pathophysiologie der zervikalen Dystonie beteiligt zu sein. Nun machte sich eine brasilianisch-italienische Forschergruppe an die Aufgabe, Auffälligkeiten der grauen Substanz mittels einer Voxelbasierten Morphometrie (VBM) detailliert zu erfassen.

Eine Gruppe aus 27 Patienten mit idiopathischer kraniozervikaler Dystonie (CCD) waren durchschnittlich 54 Jahre alt und wiesen keine DYT-1 oder DYT-6-Mutationen auf. Sie waren im Durchschnitt seit 11,37 Jahre erkrankt, wurden seit 4,20 Jahren mit BotulinumNeurotoxin (BoNT) behandelt und wiesen eine Dystonie- Schwere von 5,13 auf der Marsden-Fahn Dystonia (MFS)-Skala auf. Sie unterzogen sich einer MRT-Untersuchung mit einem 3-Tesla-Gerät. Die resultierenden VBM-Befunde wurden mit denen einer alters- und geschlechtsgematchten Gruppe von 54 Gesunden verglichen.
Die Auswertung der VBM ergab gegenüber den Kontrollen eine jeweils signifikante (p < 0,001)* Verringerung der grauen Substanz in zahlreichen Hirnregionen und -strukturen: Cluster (> 50 Voxel) mit reduziertem Volumen fanden sich im unpaaren Vermis cerebellaris (IV/V) sowie bilateral im Gyrus frontalis superior, im Precuneus, im anterioren Zingulum und dem parazingulären Insulakortex, im Gyrus lingualis des Okzipitallappens und in der Fissura calcarina.
In der linken Hemisphäre davon betroffen waren das Supplementär-motorische Areal (SMA), der Gyrus frontalis inferior, der Gyrus parietalis inferior, der Temporallappen-Pol, der Gyrus supramarginalis, das Operculum Rolandi,der Hippokampus, der mittlere Gyrus okzipitalis, die Lobuli cerebelli IV/V sowie die Gyri temporalis superior und medialis. In der rechten Hemisphäre war die graue Substanz gegenüber den Kontrollen nur im mittleren Zingulum und im Gyrus precentralis signifikant reduziert. Die Basalganglien waren nicht betroffen.
Eine Volumenreduktion zeigten den Autoren zufolge also insbesondere Hirnstrukturen, die primär in die sensorimotorische Integration, die motorische Planung, die visuospatiale Funktion und die Verarbeitung emotionaler Reize involviert sind. Praktisch alle Prozesse können bei Patienten mit CCD mehr oder weniger beeinträchtigt sein.
Die Volumenverluste der grauen Substanz in einzelnen Hirnregionen korrelierten mit dem Patientenalter, der Krankheitsdauer sowie der Dauer der Therapie mit BotulinumNeurotoxin, interessanterweise auch mit der Dystonie-Schwere nach der MFS-Skala. Patienten mit schwerer Erkrankung wiesen insbesondere eine stärkere Atrophie der grauen Substanz im Gyrus postcentralis auf. JL

 

* Nach Korrektur auf die „False Discovery Rate“ (FDR) waren keine signifikanten Unterschiede zu den Gesunden mehr feststellbar.
KOMMENTAR

Die Volumenreduktionen der grauen Substanz in den verschiedenen Hirnstrukturen könnten – zumindest theoretisch – einige bei Patienten mit zervikaler Dystonie beobachtete funktionelle Störungen erklären. Diverse Unterschiede zu früheren Bildgebungsstudien bei diesen Patienten erklären die Autoren u.a. mit der Verwendung eines besser auflösenden MRT mit 3 statt mit 1,5 Tesla.

Quelle:

Piccinin CC et al.: Diffuse decreased gray matter in patients with idiopathic craniocervical dystonia: a voxel-based morphometry study. Front Neurol 2015; 5: 283 [Epub ahead of print 8. Jan. 2015; doi: 10.3389/fneur.2014.00283]

ICD-Codes: G24.3

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