Schutz vor Demenz

Neuro-Depesche 9/2019

Gibt es die kognitive Reserve wirklich?

Es ist eine gängige Annahme, dass ein hoher Bildungsgrad vor einer demenziellen Erkrankung schützt oder diese zumindest verzögern kann. Angesichts der Ergebnisse einer großen Kohortenstudie stellen Forscher nun das Konzept der „kognitiven Reserve“ in Frage.
Sie werteten die Daten zu den Ausbildungszeiten (> 17, 12 - 17 und < 12 Jahre) und dem kognitiven Abbau (anhand einer Testbatterie) älterer Teilnehmer einer klinisch- pathologischen Längsschnittstudie (n = 2.899) aus. Die Teilnehmer hatten eine Ausbildungsdauer von 0 - 30, durchschnittlich 16,3 Jahren. 2.005 Personen wiesen jährliche Follow-up-Untersuchungen über mind. vier Jahre auf.
Im Gesamtkollektiv war die Bildung mit dem anfänglichen Niveau der globalen Kognition assoziiert, nicht jedoch mit den kognitiven Veränderungen. Eine Subgruppe von 696 Teilnehmern entwickelte (mit durchschnittlich 87,5 Jahren) eine Demenz. Bei ihnen hatte sich der globale kognitive Abbau im Mittel 1,8 Jahre vor der Diagnose beschleunigt. Aber der Bildungsstatus korrelierte weder mit zeitlichem Beginn noch mit der Rate dieser Progression.
Eine zweite Subgruppe umfasste 752 Verstorbene, die neuropathologisch untersucht worden waren. Bei ihnen beschleunigte sich die globale kognitive Abbaurate durchschnittlich 3,4 Jahre vor dem Tod. Aber ein höherer Bildungsabschluss war hier nicht mit einem späteren, sondern früheren(!) Beginn des beschleunigten kognitiven Abbaus assoziiert – und stand in keinem Zusammenhang mit der Beschleunigungsrate.
Die dritte Untergruppe bestand aus 405 Verstorbenen mit Demenz und neuropathologischer Untersuchung. Hier war eine höhere Bildung lediglich signifikant mit weniger makro- und mikroskopischen Hirninfarkten assoziiert, nicht jedoch mit den neun übrigen untersuchten Demenz-Markern. Auch in der Gruppe ohne neuropathologische Befunde bestand keine Korrelation mit der kognitiven Verschlechterung.
Schließlich verringerte eine höhere Bildung auch nicht die Assoziation zwischen einer höheren neuropathologischen Belastung und einem schnelleren kognitiven Rückgang. HL
Kommentar
Die Studie legt nahe, dass der Einfluss des Bildungsstatus auf die Assoziation mit dem prämorbiden Kognitionsniveau beschränkt ist. Er wirkt sich nicht auf die Progression des kognitiven Abbaus oder die Demenz-typischen neuropathologischen Veränderungen aus.
Quelle: Wilson RS et al.: Education and cognitive reserve in old age. Neurology 2019; 92(10): e1041-e1050 [Epub 6. Feb.; doi: 10.1212/WNL.0000000000007036]

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