Kopfschmerz bei Epilepsie-Patienten

Neuro-Depesche 10/2017

Gegenseitige Komorbidität und gemeinsame Pathomechanismen?

Zertifizierte Fortbildung

Epilepsie und Kopfschmerz, insbesondere Migräne, teilen außer genetischen Dispositionen auch klinische Merkmale und pathophysiologische Mechanismen. Koreanische Neurologen fassten nun die Charakteristika des Kopfschmerzes bei Epilepsie-Patienten sowie pathophysiologische Gemeinsamkeiten zusammen.

Nach der International Classification of Headache Disorders (ICHD) werden nur drei Epilepsie-assoziierte Kopfschmerz-Entitäten beschrieben: Neben den (seltenen) Migräne- Aura-getriggerten Anfällen als Komplikation der Migräne, sind dies die – zusammen mit bzw. innerhalb von drei Stunden nach einem fokalen Anfall ipsilateral auftretende – sehr seltene Hemicrania epileptica bzw. der postiktale Kopfschmerz.
Vor allem postiktale Kopfschmerzen, unter denen 24%–60% der Epilepsie- Patienten leiden, könnten in der Tat das häufigste postiktale Symptom sein (Inzidenz 38% in einer Studie – noch vor Schwindel und Verwirrung). Dagegen wird die lange Zeit angenommene erhöhte gegenseitige Komorbidität von Epilepsie und Migräne durch jüngere Studienergebnisse in Zweifel gezogen. Zumindest interiktale Kopfschmerzen in Form von Migräne und Spannungskopfschmerz scheinen bei Epilepsie-Patienten nicht wesentlich häufiger zu sein als in der Allgemeinbevölkerung.
Als gemeinsames pathophysiologisches Hauptmerkmal wird eine exzessive neuronale Erregbarkeit im Neokortex angenommen. Bei der Epilepsie geht diese in hypersynchrone Entladungen über, die in einer Permeabilitätsänderung der Membran für Ionen resultieren und zu den epileptischen Anfällen führen. Bei der Migräne scheint die neokortikale Hyperexzitabilität in eine Cortical spreading depression (CDS) überzugehen. Diese CSD aktiviert offenbar das trigeminale nozizeptive System und ist aller Wahrscheinlichkeit nach basaler Mechanismus für die Migräne-Aura und Trigger für den Kopfschmerz.
Interessanterweise zeigen Studien ein gemeinsames Auftreten von CSD und epileptischer Aktivität bei akutem Hirntrauma. Für einen derartigen gemeinsamen Pathomechanismus spricht außerdem, dass der Okzipitallappen für die Epilepsie wie die Migräne eine wichtigste Ausgangsstruktur darstellt, und dass der Okzipitalkortex gegenüber einer CSD besonders vulnerabel ist. So ließe sich u. a. auch der Symptomcluster aus visuellen Störungen/visueller Aura, epigastrischer Missempfindung/ Aura, Übelkeit/Erbrechen und Kopfschmerz erklären, der sich gerade bei epileptischen Anfällen okzipitalen Ursprungs und Migräneattacken ähnelt und die Unterscheidung schwierig machen kann.
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass einige Antiepileptika, die auf die (CSD-relevanten) Ionenkanäle bzw. -gradienten einwirken, bei beiden Erkrankungen wirksam sind. U. a. werden Topiramat und Valproat zur Migräne-Prävention eingesetzt. JL
Kommentar

Auch wenn es (noch) keinen Nachweis für eine echte kausale Beziehung zwischen Epilepsie und Kopfschmerz gibt, betonen die Autoren, liegen zahlreiche Gemeinsamkeiten vor − ein faszinierendes neurologisches Forschungsfeld.



Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle:

Kim DW, Lee SK: Headache and Epilepsy. J Epilepsy Res 2017; 7(1): 7-15

ICD-Codes: G40.9

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