Klinische Merkmale und MRT-Befunde

Neuro-Depesche 3/2021

Fünf kognitive Phänotypen identifiziert

Kognitive Beeinträchtigungen sind ein überaus häufiges und oft behinderndes Symptom der MS. Bislang fehlte eine genaue Charakterisierung der unterschiedlichen Phänotypen. In einer italienischen Kohorte wurde dies nun bei MS-Patienten anhand einzelner kognitiver Defizite, klinischer Merkmale und MRT-Befunde versucht.
In der Querschnittsstudie wurden sukzessiv 1.212 MS-Patienten (784 Frauen) im durchschnittlichen Alter von 41,1 Jahren eingeschlossen. Sie waren seit durchschnittlich 10,5 Jahre an MS erkrankt und wiesen einen EDSS-Score von 2,0 auf. Sie und 196 gesunde Kontrollen unterzogen sich der Rao Brief Repeatable Battery (RBRB) und dem Stroop Color and Word Test (SCWT). Bei 172 Patienten und 50 Gesunden erfolgten MRT-Aufnahmen.
Anhand der kognitiven z-Scores der Tests wurden in der latenten Profilanalyse fünf Phänotypen identifiziert: A) Erhaltene Kognition (n = 235; 19,4 %), B) leichte Störungen von verbalem Gedächtnis und Wortflüssigkeit (n = 362; 29,9 %), C) leichte Beeinträchtigung mehrerer kognitiver Domänen (n = 236; 19,5 %), D) schwere Störungen von Exekutivfunktionen und Aufmerksamkeit (n = 167; 13,8 %) und E) schwere Beeinträchtigung mehrerer kognitiver Domänen (n = 212; 17,5 %).
 
Alter, Krankheitsdauer, MS-Form
Die beiden Patientengruppen mit erhaltener Kognition und leichten Gedächtnis-/ Fluenz-Störungen (A, B) waren im Durchschnitt deutlich jünger (36,5 bzw. 38,2 Jahre) und kürzer an MS erkrankt (8,0 bzw. 8,3 Jahre) als die schwerer kognitiv beeinträchtigten Patienten der Gruppen C, D und E (42,6, 42,9 bzw 44 Jahre alt, seit 12,8, 12,2 bzw. 3,3 Jahren erkrankt). Diese Unterschiede waren signifikant (jeweils p < 0,001). Die Autoren zeigten weitere Unterschiede (EDSS, Fatigue, Depression) auf.
Bei den 108 Patienten mit sekundär progressiver MS war der Anteil mit den ungünstigeren Phänotypen höher als bei einer RRMS. Bspw. fand sich unter ihnen ein Phänotyp E bei 36 %, unter den 396 Patienten mit früher RRMS aber nur bei 12 %.
 
MRT-Auffälligkeiten
Gegenüber den kognitiv Gesunden (A) als Referenz zeigte die MRT u. a. ein signifikant kleineres Volumen des Hippokampus (5,42 ml vs. 5,13 ml; p = 0,04) beim Phänotyp B und der kortikalen grauen Substanz (687,69 ml vs. 662,59 ml; p = 0,02) beim Typ C. Patienten mit Typ D wiesen erheblich mehr hyperintensive T2-Läsionen (51,33 ml vs. 99,69 ml; p = 0,04) auf und der schwerst-beeinträchtigte Typ E eine ausgedehnte Hirnatrophie, die mit Ausnahme von Amygdala und Nucl. caudatus/ pallidus alle Hirnstrukturen betraf. JL
Fazit
Die hier definierten fünf Phänotypen könnten dazu beitragen, die kognitiven Defizite einzuordnen, Ärzte bei der Therapiewahl zu unterstützen und kognitive Rehabilitationsstrategien maßzuschneidern.
Quelle: De Meo E et al.: Identifying the distinct cognitive phenotypes in multiple sclerosis. JAMA Neurol 2021: e204920 [Epub 4. Jan.; doi: 10.1001/ jamaneurol.2020.4920]

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