Psychische Gesundheit bei MS-Patienten

Neuro-Depesche 9/2018

Fast ein Drittel wünscht sich professionelle Hilfe

Bei MS-Patienten besteht eine hohe Lebenszeitprävalenz für komorbide Depression und Angststörungen. Was ist dafür verantwortlich, dass sich die betroffenen MS-Patienten eine professionelle Unterstützung ihrer psychischen Gesundheit wünschen?

Im Rahmen einer größeren kanadischen Studie wurde die Schwere etwaiger depressiver und Angstsymptome bei 255 MS-Patienten anhand der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) erfasst. Die Teilnehmer gaben zusätzlich an, ob sie das Bedürfnis hatten, sich psychisch/psychiatrisch unterstützen zu lassen. Psychiatrische Krankheiten wurden mit dem Structured Clinical Interview for DSM-IV-TR (SCID) diagnostiziert.
Die 251 auswertbaren MS-Patienten waren meist weiblich, durchschnittlich ca. 51 Jahre alt und litten zu 72,1% an einer schubförmig remittierenden MS (RRMS). 57 Patienten (22,7%) erhielten die Diagnose einer gegenwärtigen Depression oder Angststörung.
Insgesamt berichtete mit 80 Patienten aber fast ein Drittel (31,8%), psychiatrische Hilfe zu brauchen (29,9% der Frauen, 40,4% der Männer; p = 0,16). Sie waren gegenüber den übrigen Patienten geringfügig jünger (p = 0,037) und beim Auftreten der ersten MS-Symptome in einem signifikant jüngeren Alter (p = 0,011), unterschieden sich aber ansonsten nicht signifikant von den Nicht-Hilfsbedürftigen. Auf der HADS wiesen sie aber signifikant häufiger einen Wert ≥ 8 auf (48,8% vs. 12,4%; p < 0,0001).
Nach Adjustierung auf soziodemographische und klinische Merkmale war die Wahrscheinlichkeit der Hilfsbedürftigkeit signifikant erhöht durch die Wahrnehmung der depressiven (Odds Ratio: 2,36; 95%-KI: 1,06–5,25) und Angstsymptome (OR: 6,08; 95%-KI: 2,78–13,3). Während der Einfluss erhöhter HADS-Werte allein dramatisch ausfiel – die HADS-Scores erhöhten die adjustierte Wahrscheinlichkeit für einen Hilfswunsch um mehr als das Zehnfache (adj. OR: 10,7) – beeinflussten die aktuellen SCID-Diagnosen nach Einberechnung der depressiven und Angstsymptome das Bedürfnis nach psychischer/psychiatrischer Hilfe nicht mehr signifikant. HL
Kommentar

Bei MS-Patienten gehen die häufig komorbide Depression und Angst nicht nur mit einer Verschlechterung der Lebensqualität einher, sondern auch mit einer Krankheitsprogression. Dass sich in der aktuellen Studie etwa ein Drittel der MS-Patienten psychiatrische Hilfe wünschte, obwohl aktuell nur ein knappes Viertel die diagnostischen Kriterien einer Depression oder Angststörung erfüllte, sprechen für ein aus Patientensicht deutlich höheres Leiden. Dafür sollte, so die Autoren, der Arzt/die Ärztin sensibel sein.

Quelle:

Orr J et al. für das CIHR Team in Defining the Burden and Managing ...: Factors associated with perceived need for mental health care in multiple sclerosis. Mult Scler Relat Disord 2018; 25: 179-85

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