Zwillingsstudie bei Schizophrenie

Neuro-Depesche 5-6/2017

Familiäre und Umwelteinflüsse auf das Hirnvolumen

Die Ätiologie der bei schizophren erkrankten Menschen konsistent festgestellten Volumenverringerungen des Gesamthirns und der grauen Substanz sowie teilweise auch der weißen Substanz ist unklar. Eine internationale Forschergruppe untersuchte nun in einer Zwillingsstudie, inwieweit genetische, familiäre und Umwelteinflüsse diese strukturellen Veränderungen der Patienten beeinflussen.

In Kohortenstudien kann nicht zwischen genetischen und gemeinsamen familiären Einflussfaktoren unterschieden werden. Dies ist aber in Zwillingsstudien möglich.
Eingeschlossen wurden insgesamt 168 Zwillinge. Von ihnen waren 70 an einer Schizophrenie erkrankt. Die Konkordanzrate für eine Schizophrenie war hoch, nur 16 monozygote und 6 dizygote Zwillinge aus diskordanten Pärchen waren nicht betroffen. Weitere 76 (mono- oder dizygote) psychisch gesunde Zwillinge bildeten die Kontrollgruppe.
Bei den Teilnehmern wurden die Volumina des Gesamthirns (Whole brain, WB), der grauen Substanz (Gray matter, GM) und der weißen Substanz (White matter, WM) anhand struktureller MRT-Aufnahmen automatisch berechnet und die des Hippokampus (der bei Schizophrenie durchgängig am stärksten betroffenen Einzelstruktur) „manuell“ bestimmt.
Alle drei Hirnvolumina waren bei den 70 erkrankten Zwillingen signifikant kleiner als bei den 76 Kontrollen. Dass die Korrelationen zwischen Erkrankung und Hirnvolumina (wie erwartet) bei den eineiigen Zwillingen stärker waren als bei den zweieiigen, spricht für die genetische Disposition. Die 16 nicht erkrankten mono- oder dizygoten Zwillinge der Patienten unterschieden sich in den drei Volumina entgegen der Erwartung aber nicht signifikant von den gesunden Kontrollen (wobei bei den monozygoten Partnern für eine geringeres WM-Volumen immerhin ein Trend bestand; p = 0,08).
Die Patientengruppe wies auch kleinere rechte Hippokampi auf als die Kontrollgruppe (p = 0,040). Dies traf auch sogar bilateral auf die nicht erkrankten dizygoten Zwillinge der Patienten zu (je p < 0001).
Mit Ausnahme des linken Hippokampus bestand ferner eine signifikante phänotypische Korrelation zwischen der Schizophrenie und allen reduzierten Volumina. Das genetische Modelling ergab, dass die ätiologischen Verbindungen zur Schizophrenie für die Volumina von WB, GM und rechtem Hippokampus vor allem auf die gemeinsame familiäre Umwelt hindeuteten. Dabei war der Hippokampus das am meisten durch Umwelteinflüsse beeinflusste Einzelvolumen.
Im Übrigen bestanden bei den Patienten zwischen den Hirnvolumina und der Antipsychotika- Exposition (in Dosisjahren) keine signifikanten Korrelationen (je p > 0,49). In der Gesamtgruppe war ein geringeres Geburtsgewicht mit niedrigeren WB- und WM-Volumina assoziiert (p = 0,047 bzw. p = 0,009) und eine perinatale Hypoxie mit niedrigeren WB- und GM-Volumina (p = 0,038 bzw. p = 0,019), nicht aber mit der Größe des linken und rechten Hippokampus (p = 0,42 bzw. p = 0,59). JL
Kommentar

Der Studienhypothese entsprechend wurden die „Schizophrenie-typischen” Volumenverringerungen bei den Patienten bestätigt. Das genetische Modelling ergab bei den Patienten eine erbliche Komponente für die drei globalen Volumina (WB, GM und WM), die allerdings stark variierte und mit einer deutlichen familiären Überschneidung zwischen den Volumenreduktionen von WB, GM und rechtem Hippokampus einherging. Letzterer wurde noch am stärksten durch Umweltfaktoren beeinflusst.

Quelle:

Picchioni MM et al.: Familial and environmental influences on brain volumes in twins with schizophrenia. J Psychiatry Neurosci 2017; 42(2): 122-30

ICD-Codes: F20.9

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