Im ersten Fall erstickte eine 30-jährige Frau mit einer seit dem fünften Lebensjahr behandelten juvenilen myoklonischen
Epilepsie ihren zweijährigen Sohn mit einem Kissen. Sie war unter ihrer Medikation nicht anfallsfrei, lebte unter sehr schwierigen psychosozialen Umständen (Trennung vom Kindsvater) und hatte zuvor am selben Tag einen Suizidversuch unternommen. Sie erinnerte sich an die Tat nicht.
Im zweiten Fall handelt es sich um einen Mann Mitte 20 mit posttraumatischen fokalen Anfällen (und hohem Analgetika-Konsum), der wegen sexuellen Missbrauchs und Verletzung seiner nur wenige Monate alten Tochter zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Auch dieser Mann, der heute ein praktisch normales Leben führt, hatte keine Erinnerung an die Tat.
Im dritten Fall schlug eine Frau ihr Kind „unabsichtlich“, aber wiederholt während ihrer Anfälle. Sie litt unter einer fokalen
Epilepsie, aber auch zusätzlich unter psychogenen nicht-epileptischen Anfällen (PNES). Die Situation konnte letztlich nicht geklärt werde, der Ehemann kündigte seinen Job, um zuhause aufzupassen.
In allen Fällen weisen die Täter selbst auf einen Zusammenhang mit ihren Anfällen hin, doch eine Kausalität lässt sich weder beweisen noch widerlegen. Statt von einer Verursachung durch die
Epilepsie zu sprechen, sollte davon ausgegangen werden, dass
Epilepsie-kranke Elternteile für gewalttätige Handlungen eine vulnerable Gruppe darstellen. Menschen mit
Epilepsie leiden vermehrt unter komorbiden psychiatrischen Krankheiten einschließlich Psychosen, die das Risiko für weitere Gewalthandlungen verstärken können. Offenbar tragen zusätzliche Faktoren wie psychosozialer Stress, ein niedriges Kognitionsniveau, Alkohol- und Drogenkonsum etc. zum Risiko maßgeblich bei.
Wurde ein Kind schon einmal von Mutter oder Vater mit einer
Epilepsie-Erkrankung bedroht oder verletzt, sollte eine gründliche Aufklärung über den Einfluss eines Anfalls erfolgen, aber die Lebensumstände sorgfältig beleuchtet werden. Den Kindern bzw. Familien sollte umfangreiche Unterstützung angeboten werden.
JL