Register-Studien zu Migranten

Neuro-Depesche 4/2017

Erhöhte Psychosegefahr und psychiatrisch unterversorgt

Systematisch wertete ein europäisches Team register-basierte Studien zur psychischen Gesundheit von Flüchtlingen/Migranten und ihrer Versorgung aus. Es ergab sich ein gemischtes Bild, doch Unterbehandlung/-versorgung dominierten.

Unter 1309 Publikationen erfüllten 51 Studien aus 14 Ländern die Einschlusskriterien. Sie stammten zu mehr als der Hälfte (27/51) aus skandinavischen Ländern, allen voran aus Schweden (n = 12) und Dänemark (n = 10). Mehrheitlich (32/51) ging es um Migranten der ersten Generation, dies schloss Flüchtlinge und Asylbewerber ein.
Insgesamt fand sich unter den Migranten gegenüber der Bevölkerung ein erhöhtes Risiko, eine Psychose zu entwickeln (12 der 19 entsprechenden Studien; 63%). In zwei Studien (11%) war das Risiko unverändert und in vier (21%) verringert. Die Schizophrenie-Gefahr war in acht von zehn Studien (80%) erhöht. In zwei Studien speziell zu Flüchtlingen war das Psychoserisiko für Menschen aus Ostafrika in Dänemark und für Menschen aus Südasien in Kanada klar erhöht (Inzidenz Rate Ratio: 1,95 bzw. 1,51).
Auch Suizidrisiken und -mortalität waren global betrachtet unter Migranten gegenüber „Einheimischen“ vergrößert. Dies zeigten drei von zehn Studien (30%), vier andere (40%) ergaben allerdings auch ein niedrigeres Risiko.In sechs von elf Studien zu Migranten der zweiten Generation (55%) waren Suizidrisiken und -sterblichkeit ebenfalls erhöht.
Entgegen diesen Ergebnissen war die Psychopharmaka- Einnahme überwiegend verringert, so in zwei der vier entsprechenden Studien. Dies scheint gerade Flüchtlinge zu betreffen. Die Inanspruchnahme psychiatrischer Ressourcen, untersucht in 17 Studien, war in zehn Studien (59%) verringert, in den übrigen erhöht. Insbesondere „freiwillige Psychiatriekontakte“ waren seltener (in acht von elf Studien: 73%). Zwei Studien speziell zu Flüchtlingen ergaben verringerte Kontaktraten in den USA und erhöhte Raten in Dänemark. „Unfreiwillige Hospitalisierungen“ traten dagegen unter Migranten häufiger auf, nämlich in fünf der sechs entsprechenden Studien (83,3%). Ausnahme war die Schweiz. HL
Kommentar

In den vier betrachteten Hauptdomänen psychiatrische Krankheiten, Suizidmortalität, Psychopharmaka-Einnahme und Inanspruchnahme psychiatrischer Gesundheitsleistungen/ Hospitalisierung zeigt diese weltweite Registerstudien-Auswertung – trotz einer teils hohen Variabilität – für Migranten überwiegend Nachteile. Gerade zur medikamentösen Behandlung bedarf es dringend weiterer Daten.

Quelle:

Patel K et al.: What do register-based studies tell us about migrant mental health? A scoping review. Syst Rev 2017; 6(1): 78 [Epub 11. Apr.; doi: 10.1186/ s13643-017-0463-1]

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