Deutsche Daten zur Epstein-Barr-Virus (EBV)-Infektion

Neuro-Depesche 9/2022

Erhöhte MS-Inzidenz bei infektiöser Mononukleose

Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV), die eine infektiöse Mononukleose verursacht, die Inzidenz einer MS erhöht. Für eine möglicherweise entscheidende pathophysiologische Rolle der Infektion spricht jetzt auch eine aktuelle deutsche Kohortenstudie mit mehr als 32.000 Patienten.
Aus der Disease Analyzer Datenbank (IQVIA) wurden 16.058 in niedergelassenen Praxen in Deutschland behandelte Patienten (58,6 % Frauen) mit infektiöser Mononukleose (IM) identifiziert. Sie wurden einer gleich großen, nach Alter, Geschlecht, Indexjahr und Visitenhäufigkeit gematchten Kohorte von Patienten ohne IM gegenübergestellt. Primärer Studienendpunkt war die MS-Inzidenz in beiden Gruppen.
 
Risikosteigerung um 86 %
Innerhalb von zehn Jahren nach dem Indexdatum betrug die MS-Inzidenz bei den Patienten mit IM 22,6 Fälle pro 100.000 Personenjahre (PJ), aber nur 11,9 Fälle pro 100.000 PJ bei jenen ohne die Infektionskrankheit. In der Regressionsanalyse ging eine IM mit einer signifikant um 86 % höheren Wahrscheinlichkeit für die Entstehung einer MS einher (Hazard Ratio; 1,86; 95 %-KI: 1,09 - 3,16; p = 0,022).
Eine Subgruppenanalyse ergab die stärkste Assoziation zwischen der IM und der MS in der Altersgruppe zwischen 14 und 20 Jahren (HR: 3,52; 95 %-KI: 1,00 - 12,37; p = 0,049). Mit zunehmendem Alter wurde die Assoziation schwächer und verlor die Signifikanz. Das MS-Risiko nach einer IM war außerdem tendenziell bei den Männern (16,3 vs. 7,3 Fälle; HR: 2,30; p = 0,113) größer als bei den Frauen (27,1 vs. 15,2 Fälle; HR: 1,72; p = 0,086). HL
Fazit
Eine infektiöse Mononukleose ging in dieser großen Kohorte in der zehnjährigen Nachbeobachtungszeit mit einer deutlich erhöhten MS-Inzidenz einher, insbesondere bei jüngeren Menschen. Diese Daten unterstützen die entscheidende Beteiligung von EBV an der MS-Pathogenese, die weiter erforscht werden sollte. Eine denkbare therapeutische Konsequenz könnte darin bestehen, genetisch vulnerable Menschen wie Angehörige von MS-Patienten präventiv gegen EBV zu impfen.
Quelle: Loosen SH et al.: Infectious mononucleosis is associated with an increased incidence of multiple sclerosis: Results from a cohort study of 32,116 outpatients in Germany. Front Immunol 2022; 13: 937583 [Epub 2. Aug.; doi: 10.3389/fimmu.2022.937583]

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