Schlaganfallrisiko bei dissezierendem Carotis-Aneurysma

Neuro-Depesche 4/2017

Ergebnisse der CADISS-Studie und mehr...

Zertifizierte Fortbildung

Eine Dissektion zervikaler Arterien (CAD) ist eine wichtige Ursache für Schlaganfälle bei jungen Erwachsenen. Bei 13% bis 49% der CAD-Patienten liegt ein angiographisch nachweisbares dissezierendes Aneurysma (DA; auch „Pseudoaneurysma“) vor, dessen Bedeutung für das Schlaganfallrisiko allerdings unklar ist. Wie der natürliche Verlauf ist und welche Prognose die Patienten hinsichtlich eines Schlaganfalls haben, wurde anhand der Ergebnisse der CADISS-Studie und einer systematischen Literaturübersicht geprüft.

In die prospektive Multicenter-Studie Cervical Artery Dissection in Stroke Study (CADISS) wurden 264 Patienten mit einer extrakranial gelegenen CAD eingeschlossen. Unter ihnen lag ein DA anfänglich bei 24 Patienten (9,1%) vor. Die Follow-up-Bildgebung nach drei Monaten (n = 248) ergab, dass 12 der 24 DA noch immer bestanden und sich darüber hinaus 24 neue DA entwickelt hatten. Auf beides hatte die Zuordnung zu einer der beiden medikamentösen Therapien (Thrombozytenhemmer: n = 139; Antikoagulanzien: n = 109) ebenso wenig einen Einfluss wie Alter, Geschlecht, vaskuläre Risikofaktoren (Diabetes, Hypertonus, Nikotinkonsum) und sonstige Variablen.
Während der zwölfmonatigen Nachbeobachtung trat ein – in allen Fällen ipsilateraler – Schlaganfall bei einem der insgesamt 48 Patienten mit DA und bei sieben der 216 Patienten ohne DA auf. Die alters- und geschlechtsadjustierte Odds Ratio betrug 0,84 (95%-KI: 0,10– 7,31; p = 0,88), das Schlaganfall-Risiko war damit also praktisch unbeeinflusst. Die Zahl der Indexfälle war im Übrigen zu klein, um einen Einfluss der Thrombozytenhemmer- bzw. Antikoagulanzien- Therapie zu bestimmen.
Die CADISS-Ergebnisse wurden durch eine Übersicht der Autoren über die – zumeist retrospektiven – zwölf ausgewerteten Studien zum DA bestätigt: Hier ergab sich ein insgesamt ähnlich niedriges Schlaganfallrisiko und praktisch keine Evidenz für eine erhöhte Schlaganfallrate bei Patienten mit DA. In acht von neun Studien fand sich keine DA-Expansion, und in sieben Studien mit zusammen 323 DA-Patienten traten lediglich drei Schlaganfälle auf. JL
Kommentar

Die bisherige Studienlage zum prognostischen Stellenwert von DA ist unklar, einige Untersuchungen zeigen ein erhöhtes Schlaganfallrisiko, andere nicht. Die Resultate der prospektiven CADISS-Studie und des Review zeigen zum einen, dass die DA bei CAD-Patienten einer dynamischen Entwicklung unterliegen: Viele heilen spontan ab, aber es entstehen auch viele neue. Zum anderen ergab sich eine eher benigne Prognose der DA ohne relevantes Schlaganfallrisiko. Dies spricht dafür, Patienten mit DA erstrangig medikamentös zu behandeln und sie eher keinem operativen Eingriff zu unterziehen (zumal z. B. das Coiling ja selbst mit einem Schlaganfallrisiko behaftet ist). Einer jüngeren Studie zufolge werden derzeit etwa 20% der Betroffenen operiert (Stents und Coiling).



Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle:

Larsson SC et al.: Prognosis of carotid dissecting aneurysms: Results from CADISS and a systematic review. Neurology 2017; 88(7): 646-52

ICD-Codes: I64

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