Illustration des Ebstein-Barr-Virus in 3D

Aufsehenerregende Längsschnittanalyse

Neuro-Depesche 1-2/2022

Epstein-Barr-Virus und Multiple Sklerose

Durch die Laien- und auch die Fachmedien ging die Meldung, dass die MS durch eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) „verursacht“ wird. Ist diese als Sensation präsentierte Nachricht übertrieben? Hier die Fakten!
Die Zusammenhänge wurden in einer Kohorte von mehr als 10 Mio. jungen Erwachsenen (meist < 20 Jahren) untersucht, die zwischen 1993 und 2013 im aktiven Dienst des US-Militärs standen (insg. 62 Mio. Serumproben). Bei 955 von ihnen war während ihrer Dienstzeit eine MS diagnostiziert wurden.
 
Risiko um den Faktor 32 erhöht
Verglichen wurden 801 MS-Fälle und 1.566 Kontrollen. 35 der MS-Patienten waren in ihrem ersten Test EBV-negativ gewesen, aber alle bis auf einen wurden im Verlauf EBV-positiv. Dies war nur bei etwa der Hälfte der 107 Kontrollen ohne MS der Fall.
Insbesondere die hohe Rate an Serokonversion von 97 % bei den Personen, die anschließend eine MS entwickelten gegenüber der 57 %-igen Serokonversionsrate bei Personen, die während der Nachbeobachtung nicht erkrankten, belegt das hohe MS-Risiko. Die Hazard Ratio (HR) für eine MS beim Vergleich von EBV-Serokonversion und persistierender Seronegativität betrug 32,4 (95 %-KI: 4,3 - 245,3; p < 0,001). In der Regel dauerte es 0 bis 10, median 5 Jahre zwischen der EBV-Serokonversion und der MS.
Im Übrigen unterschieden sich die Serokonversionsraten nach einer Infektion mit anderen Viren, einschließlich des ähnlich übertragenen Cytomegalovirus, zwischen späteren MS-Patienten und Gesundgebliebenen nicht. Hier war also kein MS-Risikoanstieg erkennbar.
Die Serumspiegel der leichten Kette von Neurofilamenten (NfL), einem Biomarker der neuroaxonalen Degeneration, stiegen erst nach einer EBV-Serokonversion an – und zwar erhebliche Zeit vor den ersten MS-Symptomen. HL
Fazit
Diese Studienbefunde können durch keinen bekannten Risikofaktor für MS erklärt werden und deuten darauf hin, so das Fazit der Autoren, dass EBV die „Hauptursache“ der MS ist. Für eine kausale Rolle von EBV sprechen auch das erhöhte MS-Risiko nach infektiöser Mononukleose) und erhöhte Antikörpertiter im Serum gegen EBV-Kernantigene (EBNA). Allerdings ist EBV ein ubiquitäres Virus, etwa 95% aller Erwachsenen haben die Infektion durchgemacht. Also muss es außer der EBV-Serokonversion noch einen weiteren gewichtigen Faktor geben, der die MS auslöst.
Quelle: Bjornevik K et al.: Longitudinal analysis reveals high prevalence of Epstein-Barr virus associated .... Science 2022; 375(6578): 296-301
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