Fallbericht aus London

Neuro-Depesche 5-6/2022

Eine radiologisch isolierte NMOSD?

Britische und israelische Neurologen beschreiben eine langstreckige Optikusneuritis (ON) bei einem klinisch komplett asymptomatischen Mädchen. Existiert in Analogie zum radiologisch isolierten Syndrom (RIS) bei der MS auch ein radiologisch isoliertes NMOSD-Syndrom?
Die Zwölfjährige war bei einer augenärztlichen Routineuntersuchung mit einem Papillenödem aufgefallen und zeigte im MRT rechtsetig eine langstreckige ON mit Gadolinium-Aufnahme. Ihr Visus war nicht beeinträchtigt. Zusätzlich bestand eine kleine hyperintense, asymptomatische T2-Läsion im Rückenmark (C4) Die Liquoranalyse war unauffällig, es lagen keine oligoklonalen Banden vor. Der AQP4-Antikörper-Test fiel positiv aus, es lagen keine MOG-Antikörper vor.
 
Kortikoid-Puls, B-Zelltherapie
Es wurde eine antientzündliche Akuttherapie mit einem Methylprednisolon-Puls (30 mg/kg i. v. für fünf Tage) eingeleitet, gefolgt von einer immunmodulatorischen Therapie mit Rituximab (zwei Dosen von 750 mg/m2). Daraufhin ging die entzündliche Aktivität am Sehnerven komplett zurück. Die ophthalmologische Untersuchung nach drei Monaten ergab keine Papillenschwellung mehr, die optische Kohärenztomographie eine Normaliserung der zuvor pathologisch hohen retinalen Nervenfaserschicht-Dicke rechts. Die wiederholten MRT-Scans des Mädchens blieben ohne neue Läsionen. HL
Fazit
Im Gegensatz zur Situation bei der MS, bei der viele Patienten mit RIS nie zu einer klinischen MS konvertieren, spricht die hohe Pathogenität der NMOSD-typischen AQP4-Antiköper im Kontext eines isolierten radiologischen Ereignisses und die zu erwartende hohe Morbidität für den Beginn einer immunmodulatorischen Therapie.
Quelle: Abdel-Mannan O et al.: Radiologically isolated aquaporin-4 antibody neuromyelitis optica spectrum disorder. Mult Scler 2022; 28(4): 676-9
ICD-Codes: H46

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