Monoklonale CGRP-Antikörper

Neuro-Depesche 11-12/17

Eine neue Ära der Migräneprophylaxe?

Zwei ausgewiesene Kopfschmerzexperten aus Großbritannien befassten sich in einer Übersichtsarbeit mit den neuen, noch in klinischer Prüfung befindlichen monoklonalen Calcitonin gene-related peptide (CGRP)-Antikörpern zur Prävention von Migräneattacken. Eine Übersicht und ein Statement.

Prävention ist das Kernelement der Migränetherapie – doch die zahlreichen bisherigen Behandlungsoptionen gehen mit geringer Wirksamkeit und/oder relevanten Nebenwirkungen einher. Mit wachsender Erkenntnis über die Pathophysiologie der Migräne geriet das CGRP in den Fokus der Forschung. Zur Rolle des Neuropeptids existieren vielfältige Hinweise: Während spontaner Migräneattacken sind die CGRP-Konzentrationen in der Jugularvene erhöht. Parallel zur klinischen Besserung gehen die CGRP-Serumspiegel nach Triptangabe zurück. Die Serumkonzentrationen des Neuropeptids sind bei chronischer Migräne und – in geringerem Ausmaß auch bei episodischer Migräne – interiktal erhöht. Schließlich können i.v.-Infusionen von CGRP Attacken triggern, die von spontanen Migräneattacken nicht zu unterscheiden sind. Vor diesem HIntergrund wurden sechs CGRP-Rezeptorantagonisten („Gepants“) entwickelt, die sich in der Akuttherapie der Migräne als durchaus wirksam erwiesen haben. In dem etablierten Studienparameter Anteil schmerzfreier Patienten nach zwei Stunden waren Olcegepant (BIBN 4096 BS), Telcagepant (MK-0974), MK-3207, BI 44370 TA und BMS-927711 Placebo jeweils signifikant überlegen. Allerdings wurde die Entwicklung von zweien dieser „Small molecules“ (Telcagepant und MK-3207) aufgrund lebertoxischer Wirkungen gestoppt. Derzeit werden noch die CGRP-Rezeptorantagonisten Ubrogepant in der Akutbehandlung und Atogepant in der Prophylaxe der Migräne geprüft. Für die Migräneprävention befinden sich derzeit vier monoklonale Antikörper in der klinischen Prüfung: Drei humanisierte gegen das CGRP-Molekül selbst: Eptinezumab i.v. (ALD403), Fremanezumab s.c. (TEV-48215) und Galcanezumab s.c. (LY2951742) sowie ein komplett humaner Antikörper gegen den CGRP-Rezeptor Erenumab s.c. (AMG-334). Die Phase-II- und III-Studiendaten belegen einen jeweils schnellen Wirkeintritt mit signifikanter Reduktionen der Migräneattacken. Den bisher veröffentlichten Studiendaten zufolge ist die Verträglichkeit mit einer Nebenwirkungsrate auf Placebo-Niveau exzellent. U. a. fanden sich – im Gegensatz zu Telcagepant und MK-3207 – keine hepatotoxischen Effekte. Auch kardiovaskuläre Nebenwirkungen oder Veränderungen der Vitalparameter wurden nicht beobachtet. Häufigste behandlungsassoziierte Nebenwirkungen waren (leichte bis moderate) lokale Reaktionen am Ort der Subkutaninjektion. Schwere unerwünschte Ereignisse wurden bislang nicht dokumentiert. Obwohl sich bei einem Teil der Patienten Antikörper gegen die Antikörper- Wirkstoffe entwickeln, scheinen sich diese bisherigen Erfahrungen zufolge nicht auf die Wirkstoffkonzentrationen, die Wirksamkeit oder die Nebenwirkungen auszuwirken. CGRP-Rezeptoren finden sich außerhalb des Nerven- und Gefäßsystems, z. B. in Niere und Nebenniere, Pankreas und im Knochen, so werden zur endgültigen Beurteilung der Sicherheit der vier Präparate Langzeitdaten benötigt. JL

Quelle:

Tso AR, Goadsby PJ: Anti-CGRP monoclonal antibodies: the next era of migraine prevention? Curr Treat Options Neurol 2017; 19(8): 27 [Epub 27. Juni; doi: 10.1007/s11940-017-0463-4]

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