71st Annual Meeting der AAN, 4. bis 10. Mai in Philadelphia

Neuro-Depesche 9/2019

Durchbrüche in der Behandlung der NMO-SD

Die Neuromyelitis-optica-Spektrums-Erkrankung (NMO-SD) ist eine eigenständige, der MS verwandte Autoimmunerkrankung, die durch schwere Verläufe mit häufig resultierender Blindheit, Lähmungen, schwerster Behinderung und hoher Mortalität gekennzeichnet ist. Zur Therapie werden derzeit mit wechselndem Erfolg u. a. Rituximab, Azathioprin und Mycophenolat-Mofetil eingesetzt. Studienresultate zu Wirksamkeit und Sicherheit der drei für die Pathophysiologie der NMO-SD spezifischeren Antikörper-Therapien wurden auf dem 71st Annual Meeting der American Academy of Neurology (AAN) Anfang Mai 2019 vorgestellt. In Philadelphia wurden auch andere Ansätze wie die Immuntoleranzinduktion durch autologe tolerogene dendritische Zellen diskutiert.
Während Eculizumab in die Komplementkaskade (Hemmung der Aktivierung des terminalen C5-Komplements) eingreift, depletiert Inebilizumab (reife und unreife) CD19-exprimierende B-Zellen. Satralizumab ist ein sich „recycelnder“ Anti-Interleukin- 6-Rezeptor-Antikörper.
 
Eculizumab in der PREVENT-Studie
In der doppelblinden Phase-III-Studie PREVENT (n = 143; 91 % Frauen, alle Aquaporin- 4 (AQP4)-Antikörper-positiv) verringerte Eculizumab (1.200 mg alle zwei Wochen) als Add-on die Zeit bis zum ersten Schub (= primärer Endpunkt) signifikant (p < 0,0001), berichtete Sean J. Pittock, Rochester. Das Schubrisiko (3 % vs. 43 %) wurde versus Placebo um 94,2 % reduziert. Die ARR fiel mit 0,016 vs. 0,350 deutlich geringer aus. Nach 48 Wochen waren noch 98 % Patienten der Verumgruppe versus 63 % unter Placebo schubfrei. Im Eculizumab- Arm verstarb ein (Azathioprin-behandelter) Patient an einem infektiösen Lungenempyem.
Update: Ende August 2019 wurde die Zulassung von Eculizumab (Soliris®) von der EMA auf die Behandlung der (schubförmigen, AQP4-positiven) NMO-SD erweitert.
 
N-MOmentum-Studie zu Inebilizumab
Die 231 Teilnehmer von N-MOmentum (90 % Frauen) waren zu mehr als 90 % AQP4-seropositiv. Wie Bruce Cree, San Francisco, schilderte, blieben in der Gesamtpopulation über 197 Tage 87 % der 175 mit zwei Dosen von Inebilizumab als Monotherapie behandelten Patienten schubfrei versus 60 % der 56 Patienten der Placebo-Gruppe (-73 %), die Number needed to treat (NNT) betrug 3,7. Bei den AQP4-seropositiven Patienten fiel das Ergebnis mit 88 % versus 57 % (-77 %) und einer NNT von 3,23 (erwartungsgemäß) noch deutlicher aus. Außerdem verringerte Inebilizumab das Risiko für eine Behinderungsprogression um 63 %, das für neue MRT-Läsionen um 43 % und NMO-SD-bedingte Krankenhausaufnahmen um 71 %. Unerwünschte Ereignisse (UE) und schwerwiegende UE waren zwischen den Studienarmen ausgeglichen. In der Open-Label-Phase (alle sechs Monate 300 mg Inebilizumab) traten unter dem Antikörper zwei Todesfälle auf: einer im Rahmen eines schweren Schubes und einer durch ein ätiologisch unklares zerebrales Ereignis (keine eindeutige Diagnose).
 
Satralizumab in SAkuraSky
Zusätzlich zur Basistherapie verabreichtes Satralizumab (120 mg s.c. alle vier Wochen) reduzierte in der SakuraSky-Studie (n = 83) das Schubrisiko versus Placebo im Gesamtkollektiv signifikant um 62 %. Subgruppen- Ergebnisse der doppelblinden Phase- III-Studie präsentiertierte auf dem AAN Takashi Yamamura. Bei den AQP4-Ak-positiven Patienten (initial 66 %) reduzierte Satralizumab das Schubrisiko vs. Placeo um 79 %. In Woche 48 und 96 schubfrei geblieben waren je 91,5 % versus 59,9 % bzw. 53,3 % unter Placebo. Bei den AQP4-Ak-negativen Patienten (initial 34 %) betrug die Risikoreduktion für einen Schub versus Placebo 34 %. Schubfrei in den Wochen 48 und 96 waren 84,4 % bzw. 56,3 % unter Satralizumab versus 75,5 % bzw. 67,1 % unter Placebo. Es traten keine Todesfälle, opportunistische Infektionen oder anaphylaktische Reaktionen auf.
Update: Auf dem 5. E AN in Oslo wurden neue Daten zur SakuraSky-Studie präsentiert. U. a. betrug die ARR 0,11 unter Satralizumab versus 0,32 unter Placebo.
 
Tolerogene DZ scheinen sicher
Eine Antigen-spezifische Toleranzinduktion durch tolerogene dendritische Zellen (tolDC) induziert regulatorische T-Zellen (Treg), die verschiedene Effektor-Zellen unterdrücken können. Jetzt stellte dazu Irati Zubizarreta, Barcelona, die Endergebnisse einer klinischen Phase-Ib-Studie und ihrer Verlängerung vor: Zwölf Patienten (vier mit NMO und acht mit MS) erhielten i.v. – aufgeteilt in drei ansteigende Dosen alle zwei Wochen – autologe tolDC (50 - 300 × 106 Zellen). Diese waren mit sieben MS-typischen Peptiden gegen Myelin bzw. einem Peptid gegen AQP4 beladen. Die Patienten blieben sowohl klinisch (Schübe und Behinderung) als auch in der Bildgebung (MRT und OCT) stabil. Nach zwölf Wochen ergab sich eine Zunahme an Natural-Killer-Zellen und eine Verringerung an CD8-Gedächtniszellen. Zudem fand sich ein signifikanter Anstieg der Treg-Zellen (TR1) und der Produktion von IL-10. Da die tolDC-Therapie zudem gut (ohne schwerwiegende Nebenwirkungen) vertragen wurde (dies war der primäre Studienendpunkt), stellt sie einen potenziellen Therapiansatz dar – zunächst sicher primär für schwerste Verläufe. Jetzt ist eine Phase-II-Studie zur NMO-SD geplant, in der ein ganzer „Cocktail“ an AQP4-Peptiden eingesetzt werden soll. JL
ICD-Codes: G36.0

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