Selbstverletzungen bei ADHS

Neuro-Depesche 1-2/2019

Diese Kinder haben ein erhöhtes Risiko

Zertifizierte Fortbildung

In Budapest wurde der mögliche Zusammenhang zwischen einer ADHS und nicht-suizidal intendierten Selbstverletzungen(NSSI) untersucht. Ein Schwerpunkt lag auf der Rolle von Begleiterkrankungen, ein anderer auf dem Geschlecht der Patienten.

Anhand des strukturierten Mini International Neuropsychiatric Interview Kid (M.I.N.I. Kid) 2.0 und des Patientenfragebogens Deliberate Self-Harm Inventory (DSHI) mit 17 Items wurden 202 in der Vadaskert-Kinderklinik stationär behandelte Kinder und Jugendliche (im Alter von 13 bis 18 Jahren) untersucht. 52 (25,7 %) erfüllten die Kriterien für eine ADHS vollständig, weitere 77 (38,1 %) zeigten eine subklinische ADHS-Symptomatik (≤ fünf Symptome).
Unter den 52 ADHS-Patienten lagen NSSI aktuell bei 35 (67,3 %) vor – deutlich häufiger bei den Mädchen (n = 25) als den Jungen (n = 10) (71,4 % vs. 28,6 %; p < 0,001). Die häufigsten komorbiden Symptome/ Störungen bei diesen 35 NSSI-Betroffenen bestanden in Suizidalität (94 %), oppositionellem Trotzverhalten (66 %), generalisierter Angststörung (63 %), psychotischer Störung (60 %), Manie (51 %), sozialer Phobie (49 %), Zwangsstörung (46 %), akuter Major Depression (43 %), Dysthymie (34 %) und Panikstörung (31 %).
Mehrere Mediationsanalysen des Gesamtkollektivs bestätigten die Vermutung, dass die Beziehung zwischen ADHS-Sym-ptomen und der NSSI-Prävalenz bei beiden Geschlechtern durch die komorbiden Störungen vermittelt wurde – und zwar vollständig! Im Einzelnen waren dies vor allem die Symptome affektiver und psychotischer Störungen und suizidale Tendenzen. Nur bei den Mädchen mediierten zusätzlich Alkoholmissbrauch bzw. -abhängigkeit diesen Zusammenhang. Eine direkte Assoziation zwischen ADHS-Symptomatik und NSSI fand sich dagegen interessanterweise nicht. JL
Kommentar

Mehr als zwei Drittel der ADHS-Patienten leiden unter mindestens einer komorbiden psychiatrischen Erkrankung (externalisierender oder internalisierender Art). Diese ungarische Studie legt nahe, dass Ärzte ADHS-Betroffene beiderlei Geschlechts regelmäßig auf die Symptome komorbider psychiatrischer Störungen und auf Suizidalität untersuchen sollten, um nicht-suizidale Selbstverletzungen zu verhindern. Letztere kamen – in Übereinstimmung mit den klinischen Erfahrungen – bei Mädchen dreimal so häufig vor wie bei Jungen.



Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle:

Balázs J et al.: Attention-deficit hyperactivity disorder and nonsuicidal self-injury in a clinical sample of adolescents: the role of comorbidities and gender. BMC Psychiatry 2018;18(1): 34 [Epub 6. Feb.; doi: 10.1186/s12888-018-1620-3]

ICD-Codes: F90.0

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