Deutscher Schmerz- und Palliativtag, Juli 2020

Praxis-Depesche 9-10/2020

Die schmerzmedizinische Versorgung älterer Menschen ist gefährdet!

Der Deutsche Schmerz- und Palliativtag fand 2020 erstmalig online statt. Schwerpunktthema war die schmerzmedizinische Versorgung älterer Menschen. In Deutschland leiden aktuell 3,4 Millionen Menschen an schwersten chronischen Schmerzen. Dem stehen nur 1.200 ambulant tätige Schmerzmediziner gegenüber. Für eine flächendeckende Versorgung wären jedoch mindestens 10.000 ausgebildete Schmerzmediziner nötig. Angesichts der Zunahme chronischer, insbesondere älterer Schmerzpatienten forderten der Kongresspräsident, Dr. Johannes Horlemann, Kevelaer, und der Tagungspräsident Dr. Thomas Cegla, Wuppertal, die Sicherung der schmerzmedizinischen Versorgung durch eine rechtssichere Bedarfsplanung.
Schmerzmediziner sollten ihre Patienten fragen, zu welcher Tageszeit und in welchen Situationen sie ihre Schmerzen intensiver bzw. weniger intensiv wahrnehmen und was ihnen dabei hilft, die Schmerzen besser zu kontrollieren, so eine Empfehlung während der Auftaktveranstaltung des Deutschen Schmerz- und Palliativtags, (21.-25. Juli 2020).
Außerdem sollten Ärzte ihre älteren Patienten als Experten für die eigene Gesundheit ansprechen und Fragen danach stellen, wie sie etwa auf bestimmte Analgetika und deren Dosierung reagieren oder ob und wie begleitende Therapiemaßnahmen ihnen helfen. Informationen zu körperlicher Aktivität und psychologischer Befindlichkeit des Patienten sollten dem Arzt bekannt sein.
Die Vorstellung, dass Demenzpatienten Schmerzen nicht so stark verspüren, ist heute revidiert. Gerade bei diesen Patienten sei die hohe Kunst der Diagnostik gefragt, bei der sich Ärzte auf nonverbale Hinweise, wie Stöhnen, Agitiertheit oder aggressives Verhalten, sowie die Aussagen von Angehörigen und pflegendem Personal als Hinweise auf die Schmerzen fokussieren müssten.
 
Komorbiditäten bei Migräne
Ein Problem in der Migränetherapie stellen Komorbiditäten dar, vor allem bei älteren Menschen. So sind Triptane nur bis zum 65. Lebensjahr zugelassen, für ältere Migränepatienten gibt es kaum klinischen Daten. Im Falle kardiovaskulärer Erkrankungen sind Triptane kontraindiziert. CGRP-Antikörper sind bei entsprechenden Vorerkrankungen ebenfalls nicht zugelassen. Zudem steigt im Alter die Häufigkeit von Kopfschmerzen anderer Ursache, auch bei Migränepatienten, zum Beispiel bei Bluthochdruck oder bei Vorliegen eines Schlafapnoe-Syndroms.
 
Neuer Algorithmus im PraxisRegister Schmerz
Zu einer frühen Diagnostik einer seltenen Erkrankung kann künftig wohl auch das PraxisRegister Schmerz beitragen. „Wir haben einen neuen Algorithmus entwickelt, der die Registerdaten nach erkrankungsspezifischen Mustern für Morbus Fabry durchsucht“, sagte PD Michael A. Überall, Nürnberg. Von den inzwischen 283.783 im PraxisRegister Schmerz erfassten Fällen wiesen dabei 2.684 eine auffällige Konstellation Fabry-typischer Symptome auf. Im nächsten Schritt werden nun die Patienten bzw. Behandler dieser Patienten über den Verdacht informiert, sodass eine spezifische Testung auf M. Fabry erfolgen kann.
Das bundesweite Versorgungsforschungsprojekt PraxisRegister Schmerz ermöglicht Ärzten über das Online-Tool iDocLive® und Patienten über die Plattform www.mein-schmerz.de, Routinedaten in der Diagnostik und im Verlauf von Schmerzerkrankungen zu erfassen. Bis zum Stichtag 14.7.2020 wurden in dem System 283.783 Fälle mit insgesamt 237.651.882 Variablen erfasst. Damit stellt das PraxisRegister Schmerz weltweit das größte nicht-kommerziell betriebene Behandlungsregister dar. Für DGS-Mitglieder ist die Nutzung von iDocLive® kostenlos. NM

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