Landesweite finnische Studie zu Angststörungen

Neuro-Depesche 3/2022

Die Inzidenz steigt deutlich an

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Zahlreiche Studien sprechen für eine Zunahme an psychischen Erkrankungen, insbesondere an depressiven und Angststörungen. In Finnland wurden nun bei Kindern und Jugendlichen die landesweite Inzidenz an Angsterkrankungen sowie soziodemographische Risiko- und Schutzfaktoren untersucht.
Diese Studie umfasste die Registerdaten aller 22.388 zwischen 1992 und 2006 in Finnland geborenen Einzelkinder, bei denen zwischen 1998 und 2012 eine Angststörung (nach ICD-10) diagnostiziert worden war. Die zeitlichen Inzidenztrends wurden erfasst anhand der Aufteilung nach den Geburtsjahren in drei Kohorten (1992 - 1996, 1997 - 2001 und 2002 - 2006), die bis zum Lebensalter von 20, 15 bzw. zehn Jahren nachbeobachtet wurden. Hinsichtlich Alter und Geschlecht verglichen wurden die Erkrankten mit 76.139 Kontrollpersonen der Bevölkerung.
 
Risiko- und Schutzfaktoren
Dem Vergleich der Kohorten 1992 - 1996 und 2002 - 2006 zufolge nahm die kumulative Inzidenz behandelter Angststörungen im Alter von zehn Jahren von 0,3 % auf 1,2 % bei Mädchen und von 0,46 % auf 1,9 % bei den Jungen zu.
Eine Angststörungsdiagnose war um 53 % wahrscheinlicher, wenn ihre Mütter bei der Geburt einen niedrigen sozioökonomischen Status (SES) aufwiesen (Odds Ratio [OR] vs. einer höheren SES-Klasse: 1,53; 95 %-KI: 1,45 bis 1,61). Wenn ihre Mütter zum Zeitpunkt der Geburt Single waren, war das Risiko mehr als verdoppelt (OR vs. verheirateten oder in Beziehung lebenden Müttern: 2,02; 95 %-KI 1,87 bis 2,17). Ein geringeres Angststörungsrisiko hatten dagegen Kinder, die (vs. in Städten) in ländlichen (OR: 0,82) oder halbstädtischen Gebieten (OR: 0,79) geboren worden waren.
Die nur in der ältesten Geburtskohorte (1992 - 1996) untersuchten komorbiden psychischen Erkrankungen der Mädchen und Jungen im Alter von sechs bis 16 Jahren umfassten ein breites Spektrum: Mit Abstand am häufigsten war eine unipolare Depression (31,2 % bzw. 22,8 %), gefolgt u. a. von Beziehungsstörungen (9,1 % bzw. 19,1 %), Lernschwierigkeiten (7,5 % bzw. 18,9 %) und ADHS (2,4 % bzw. 13,1 %). JL
Fazit
In Finnland nahmen die diagnostizierten Angststörungen von 1998 bis 2012 bei beiden Geschlechtern erheblich zu. Nicht eindeutig zu klären war, ob dies auf einer tatsächlich gestiegenen Inzidenz oder aber lediglich auf einer vermehrten Behandlungssuche beruht. Dass die Kinder von Müttern mit einem niedriger sozioökonomischen Status und Alleinerziehende besonders betroffen sind, spricht für einen sozialpolitisch basierten Präventionsansatz.


Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle: Khanal P et al.: Time trends in treated incidence, sociodemographic risk factors and comorbidities: a Finnish nationwide study on anxiety disorders. BMC Psychiatry 2022; 22(1): 144 [Epub 22. Feb.; doi: 10.1186/s12888-022-03743-3]
ICD-Codes: F32

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