Schwangere Frau und andere Patienten sitzen mit Atemschutz in einem Wartebereich

FOKO 2022: COVID-19-Impfung in der Schwangerschaft

Gyn-Depesche 2/2022

Die Evidenz hinter der Empfehlung

Obwohl sich nationale und internationale Fachgesellschaften bereits für die COVID-19-Impfung von schwangeren Frauen ausgesprochen hatten, ließ die generelle Impfempfehlung durch die Ständige Impfkommission (STIKO) lange auf sich warten. Über die Gründe dieser Verzögerung, den Prozess bis zur Impfempfehlung und die zugrundeliegenden Studiendaten sprach STIKO-Mitglied und Gynäkologin Dr. Marianne Röbl-Mathieu auf dem Fortbildungskongress (FOKO) des Berufsverbandes der Frauenärzte
„Auch in Zeiten der Pandemie wollte die STIKO nicht von ihrem Grundsatz abweichen, Empfehlungen auf Grundlage der besten verfügbaren Evidenz auszusprechen“, begründete Röbl-Mathieu die vergleichsweise späte Empfehlung zur COVID-19-Impfung in der Schwangerschaft. Die Gynäkologin aus München ist Sprecherin der STIKO-Arbeitsgemeinschaft „Schwangerenimpfung COVID-19“ und damit Teil des unabhängigen Expertengremiums, das vergangenes Jahr die Impfempfehlung für schwangere Frauen erarbeitet hat. Der Prozess erfolgte streng nach Standardvorgehensweise der STIKO, wozu im ersten Schritt die Ergebnisparameter definiert wurden: Dazu zählten die Wirksamkeit gegen eine SARSCoV- 2-Infektion, Hospitalisierung, Intensivpflichtigkeit und Tod sowie Schwangerschafts-assoziierte Verlaufs- und Ergebnisparameter von Mutter und Kind.
Im Anschluss begann für jeden dieser Endpunkte der systematische Review sowie die Nutzen-Risiko-Bewertung unter Berücksichtigung weiterer Faktoren, darunter der Krankheitslast und möglicher Populationseffekte.
 
Krankheitsbild und Verlauf in der Schwangerschaft
Um zu beurteilen, welche Auswirkungen eine COVID-19-Infektion in der Schwangerschaft hat, führten die Experten und Expertinnen einen Umbrella-Review durch, in den 14 systematische Reviews einflossen. Der größte stammte von Allotey et al., der die Ergebnisse von 192 Studien aus 30 Ländern beschrieb und im Jahr 2020 im British Medical Journal veröffentlicht worden war.
Schwere Verläufe waren bei infizierten Schwangeren mit 10 % insgesamt selten. „Dennoch stellt COVID-19 in der Schwangerschaft eine relevante Krankheitslast in Deutschland dar“, erklärte Röbl-Mathieu. „Die Schwangerschaft ist per se ein relevanter Risikofaktor für schwere Verläufe und dieses Risiko kann nochmals ansteigen, wenn Vorerkrankungen vorliegen.“ Bei weiteren 4 % der infizierten Schwangeren war eine intensivmedizinische Behandlung notwendig und bei 3 % eine invasive Beatmung. Diese Zahlen konnten auch durch die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse der deutschen Registerstudie CRONOS bestätigt werden (Sitter M et al., J Clin Med 2022).
Das relative Risiko einer Schwangeren mit COVID-19, eine Präeklampsie zu entwickeln, wurde in verschiedenen Studien auf 1,3 bis 1,8 geschätzt. In fast allen Untersuchungen wurde über ein signifikant häufigeres Auftreten von Frühgeburtlichkeit etwa im dritten Trimenon im Vergleich zu nicht-infizierten Schwangeren berichtet (was aber wahrscheinlich überwiegend iatrogen bedingt war). Auch wurde bei infizierten Schwangeren häufiger eine Sectio durchgeführt. Dass eine SARS-CoV- 2-Infektion in der Schwangerschaft – vor allem bei einem symptomatischem Verlauf – mit einem insgesamt höheren Komplikationsrisiko verbunden ist, haben unter anderem die Ergebnisse der Kohortenstudie INTERCOVID anschaulich gezeigt: Darin war der Anteil der schwangeren Frauen, die nach der 30. Woche schwanger blieben, in der Gruppe mit symptomatischer COVID-19-Erkrankung deutlich niedriger als bei den infizierten, aber symptomfreien sowie den nicht-infizierten Schwangeren.
Das Mortalitätsrisiko Schwangerer mit COVID-19 ist im Vergleich zu nicht-schwangeren, infizierten Frauen jedoch nicht erhöht. „Hier ist die Datenlage allerdings noch etwas uneindeutig“, so Röbl-Mathieu.
Das kindliche Outcome bei infizierten und nicht-infizierten Schwangeren scheint sich dagegen nicht wesentlich zu unterscheiden. So ist die neonatale Mortalität nach einer Infektion der Mutter nicht erhöht. Allerdings wurde für Frauen mit COVID-19 ein höheres Risiko ermittelt, nach der Geburt auf einer neonatologischen Intensivstation betreut zu werden, insbesondere bei schwerem Krankheitsverlauf. Eine vertikale Transmission ist grundsätzlich möglich, scheint aber ein insgesamt seltenes Ereignis zu sein und löst beim Neugeborenen nur in seltenen Fällen Symptome aus.
 
Impfen schützt – Schwangere ebenso wie Nicht-Schwangere
„Die erste Kontrollstudie mit einem zahlenmäßig größeren Umfang wurde erst kurz vor Veröffentlichung der Impfempfehlung publiziert“, berichtete Röbl-Mathieu. Für die Studie hatte man knapp 11.000 geimpfte schwangere Frauen ebenso vielen ungeimpften Schwangeren gegenübergestellt (Dagan N et al., Nature 2021). Nach der zweiten Dosis des mRNA-Wirkstoffs BNT162b2 (BioNTech/ Pfizer) zeigte sich eine Wirksamkeit von 96 % gegen jegliche Infektion mit dem SARS-CoV-2-Wildtyp oder der Alpha-Variante. Die Impfeffektivität in Bezug auf eine symptomatische Infektion lag bei 97 %, hinsichtlich COVID-19-bedingter Hospitalisierungen bei 89 %.
 
Sicher für Mutter und Kind?
Zu den Nebenwirkungen zählten bei schwangeren Frauen in erster Linie die typischen Impfreaktionen: Am häufigsten waren Lokalreaktionen an der Einstichstelle, gefolgt von systemischen Reaktionen (v. a. Schüttelfrost, Kopfschmerz, Abgeschlagenheit, Myalgien). Diese Nebenwirkungen waren bei schwangeren Frauen aber insgesamt seltener als bei den nicht-schwangeren Frauen der Kontrollgruppe.
Zur Beurteilung der geburtshilflichen Endpunkte nach einer Impfung zog das Expertengremium der STIKO vier Studien heran (Shimabukuro TT et al., NEJM 2021; Zauche LH et al., NEJM 2021; Blakeway H et al., Am J Obstet Gynecol 2021; Goldshtein I et al., JAMA 2021). Zur Letalität der Mutter und thromboembolischen Ereignissen konnten keine Aussagen gemacht werden. Hinsichtlich der Schwangerschafts- assoziierten Endpunkte wurde kein Unterschied zwischen geimpften und ungeimpften Frauen festgestellt (spontaner Abort, intrauteriner Fruchttod, Frühgeburt, Präeklampsie, niedriges Geburtsgewicht). Auch traten in den bisherigen Studien keine schweren Nebenwirkungen bei Stillenden oder deren Kindern nach der Impfung auf.
 
Der Zyklus nach der Impfung
Zuletzt äußerte sich Röbl-Mathieu zu den vor allem in sozialen Medien vieldiskutierten Zyklusstörungen in zeitlichem Zusammenhang mit der COVID- 19-Vakzinierung, die den Mythos Unfruchtbarkeit nach Impfung weiter befeuert haben könnten. Tatsächlich kamen zwei Kohortenstudien – eine aus den USA, eine aus Norwegen – zu dem Schluss, dass es nach der COVID-19-Impfung vermehrt zu Zyklus-Unregelmäßigkeiten kommt, insbesondere zu längeren Zyklen und einer stärkeren Blutung. Allerdings ergab die norwegische Studie auch: Die Prävalenz von Menstruationsstörungen lag schon vor der Impfung bei 37 %. „Für Gynäkologen und Gynäkologinnen ist diese Beobachtung wahrscheinlich wenig überraschend“, so Röbl- Mathieu. „Es stellt sich aber die Frage, ob wir nicht auch unseren Patientinnen die große Variabilität des Zyklus schon vom Jugendalter an besser vermitteln sollten.“ Die gute Nachricht: Die Zyklusstörungen in Verbindung mit der Impfung hatten sich in den meisten Fällen innerhalb von zwei Monaten wieder normalisiert. RG
Quelle: FOKO 2022, aus dem Vortrag „Die STIKO-Empfehlung der COVID 19-Impfung – Relevanz in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe“, Dr. Marianne Röbl-Mathieu
ICD-Codes: U07.1
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