Neue Guidelines der International RLS Study Group

Neuro-Depesche 3/2015

Diagnostik und Therapie des RLS in der Schwangerschaft und Stillzeit

Zertifizierte Fortbildung

In den westlichen Ländern leiden etwa zwei von zehn Schwangeren unter einem RLS. Viele berichten von mittelschweren bis schweren Symptomen, die tagsüber belasten und den Nachtschlaf stören. Nun hat eine von der International RLS Study Group (IRLSSG) gebildete Task Force erstmals konsensbasierte Guidelines für die Diagnostik und Therapie in der Schwangerschaft und Stillzeit entwickelt.

Das neunköpfige Experten-Komitee aus Neurologen und Gynäkologen einigte sich auf folgende Hervorhebungen und Empfehlungen:

1) Die exakte Diagnose des RLS ist essenziell.
Es wird empfohlen, bei Schwangeren genau die gleichen fünf diagnostischen Kriterien der IRLSSG zu verwenden wie beim idiopathischen RLS. Differenzialdiagnostisch berücksichtigt werden sollten neben vielem anderen insbesondere Beinkrämpfe, Lagerungsbeschwerden, venöse Stauung und Beinödeme sowie Neuropathien.
RLS-Beschwerden und ihre Auswirkungen auf den Lebensalltag können von sehr leicht bis sehr schwer reichen. Nach der Revision der IRLSSG-Kriterien 2014 sollte ein mittelschweres bis schweres, also behandlungsbedürftiges RLS erst konstatiert werden, wenn die Beschwerden mindestens zweimal in der Woche auftreten und die Auswirkungen auf Beruf, Freizeit und soziale Beziehungen, auf Schlaf, Stimmung, Kognition etc. als mittelschwer bis schwer eingeschätzt werden. In einer aktuellen Studie berichteten mehr als die Hälfte der Schwangeren mit RLS (53,5%) schwere oder sehr schwere Beschwerden.
2) Prävalenz und Schwere des RLS haben typischerweise einen Gipfel im 3. Trimester, also nach der Embryogenese.
In den meisten Studien nehmen Prävalenz und Schwere des RLS im Verlauf der Schwangerschaft zu, mit einem Maximum im 7. und 8. Monat und einer Stabilisierung bzw. einem leichten Rückgang im 9. Monat.
3) Nach der Entbindung kommt es rasch zu einer Abnahme von Prävalenz und Schwere des RLS.
Um die Entbindung herum gehen die RLSSymptome deutlich zurück. Bei etwa 70% verschwinden die Beschwerden vollständig, bei den übrigen verringern sie sich beträchtlich.
4) Bei jeder Schwangerschaft besteht eine Wahrscheinlichkeit für angeborene Missbildungen von 3%–5%.
Die Rate an angeborenen Missbildungen liegt im Allgemeinen im Bereich von 3%–5%, von größeren Missbildungen bei 1%–3%. Da das Risiko durch eine Medikamenten-Exposition während der Embryogenese (im 1. Trimester) am größten ist, kann es sinnvoll sein, den Beginn einer medikamentösen Behandlung auf einen späteren Abschnitt der Schwangerschaft hinauszuzögern.
5) Die Therapieentscheidungen sollten basieren auf Schwere und Auswirkungen der Symptome, auf einer Risiken-Nutzen-Abwägung und auf individuellen Gegebenheiten des Patienten.
Selbsterklärend! U. a. ist hier auf komorbide Erkrankungen zu achten, die als (relative) Kontraindikationen für verschiedene Therapieformen anzusehen sind.
6) Erwäge primär eine nicht-medikamentöse Therapie!
Im Allgemeinen empfiehlt die Task Force, bei Schwangeren in erster Linie eine nicht-medikamentöse Therapie bzw. eine Eisensubstitution zu erwägen. Aufgrund der besonderen Sicherheitsanforderungen bei Schwangeren listet sie – meist ohne eine spezielle Wertung – 15 Behandlungsmethoden auf, deren Wirksamkeit nicht unbedingt nachgewiesen ist. Neben Vermeidung aggravierender Faktoren (Eisenmangel, serotonerge Medikamente, Stillsitzen etc.) sind darunter u. a. (nicht-exzessive) körperliche Übungen, Yoga, Massage und pneumatische Kompression.*
Die Substitution von Folsäure, Magnesium und Eisen (oral oder i.v. bei Ferritin-Spiegeln < 75 μg/l) wird als sicher angesehen, während für die Vitamine C, D und E sowie für Baldrian und „chinesische Kräuter“ Sicherheitsbedenken geltend gemacht werden.*
7) Bei medikamentöser Therapie: Verwende die niedrigste wirksame Dosis und die kürzeste mögliche Behandlungsdauer! Erforderlich sind regelmäßige Nachuntersuchungen sowie eine Nachuntersuchung, nachdem die Eisenspeicher aufgefüllt sind und nach der Entbindung.
Sollte die Patientin auf eine nicht-medikamentöse Therapie bzw. eine Eisensubstitution nicht ausreichend ansprechen, listet die Task Force Medikamente auf wie alpha-2-delta Liganden (Gabapentin, Gabapentin enacarbil, Pregabalin), Benzodiazepine/BZRA (z. B. niedrigdosiertes Clonazepam im 2./3. Trimester und in der Stillzeit), Dopaminergika (L-Dopa/Carbidopa, Pramipexol, Ropinirol und Rotigotin; CAVE Prolaktin- Hemmung!), Opioide (in sehr schweren, vielfach therapierefraktären Fällen niedrigdosiert: Oxycodon nach dem 1. Trimester, Tramadol in der Stillzeit) und „Andere“ (z. B. Clonidin und Trazodon; wenig Evidenz!).*
8) Mit jeder neuen Verschreibung sollte über arzneimittelbedingte Nebenwirkungen informiert werden.
9) Es ist wichtig, zu verstehen, dass der Plazebo- Effekt beim RLS und anderen ZNS-Erkrankungen häufig ist.
In geblindeten Studien mit nicht-schwangeren RLS-Patienten kommt es in 20%–40% zu einer Plazebo-Response. Daher kann es zu guten Resultaten führen, in Erwartung dieses Effektes mit einer sichereren, gegenüber manchen Medikamenten weniger wirksamen, nicht-medikamentösen Therapie zu beginnen. JL
*Für Details zu Wirksamkeit und Gefahren diverser Behandlungen sei auf die Originalarbeit verwiesen.


Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle:

Picchietti DL et al.: Consensus clinical practice guidelines for the diagnosis and treatment of restless legs syndrome/Willis-Ekbom disease during pregnancy and lactation. Sleep Med Rev 2014: pii: S1087-0792(14)00119-1 [Epub ahead of print: 4. Nov. 2014; doi: 10.1016/j.smrv.2014.10.009]

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